Ankara zur Zypern-Frage jährlich überprüfen. | Steinmeier: Einlenken Nikosias "ein Schlüssel". | Brüssel. Völlig überraschend haben sich die EU-Außenminister wegen des Zypern-Streits gestern, Montag, auf das Aussetzen von Teilen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geeinigt. "Acht zentrale Verhandlungsbereiche gehen in den Tiefkühler", erklärte Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik. Konkret werden entsprechend den Vorschlägen der EU-Kommission die Kapitel freier Warenverkehr, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Zollunion und Außenbeziehungen gesperrt.
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Darüber hinaus wurde ein Überprüfungsmechanismus vereinbart, nach dem die EU-Kommission bei den Türkei-Fortschrittsberichten der nächsten drei Jahre besonderes Augenmerk auf die Umsetzung des sogenannten Ankara-Protokolls legen soll.
Mit der Unterzeichung dieses Vertrags hatte sich die Türkei vor dem Startschuss ihrer Beitrittsverhandlungen zur Ausweitung ihrer Zollunion auf alle neuen EU-Mitglieder inklusive Zypern verpflichtet. Praktisch bedeutet das, dass sie ihre See- und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge öffnen muss. Das verweigert Ankara seither aber ebenso wie die völkerrechtliche Anerkennung des Mitgliedslands Zypern beharrlich.
Er hätte noch am Morgen kaum mit einer Einigung gerechnet, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Zu weit seien die Positionen der Mitgliedsländer auseinander gelegen. Ein Schlüssel zur Einigung seien Bekenntnisse Zyperns "zur Notwendigkeit einer politischen Lösung des Konflikts" über die geteilte Insel "unter dem Dach der UNO" sowie der Aufgabe der Blockade von EU-Finanzhilfen für den türkisch kontrollierten und wirtschaftlich isolierten Nordteil der Insel und in weiterer Folge des Direkthandels mit der Union gewesen.
Weitere Diskussionen?
Während des EU-Vorsitzes Deutschlands im ersten Halbjahr 2007 sollen diese Zusagen formale Gestalt annehmen. Das dürfte den Türkei-Unterstützern um Großbritannien, Italien und Schweden entgegengekommen sein, die nur drei Verhandlungskapitel aussetzen wollten. Aus zypriotischen Delegationskreisen heißt es freilich, es würden noch "einige Diskussionen" darüber stattfinden müssen. Denn die Lockerung der wirtschaftlichen Isolation Nordzyperns und eine Wiederaufnahme der UNO-Friedensverhandlungen waren stets Bedingungen Ankaras für ein Einlenken gewesen.
Die Mitgliedsstaaten sind unterdessen auch dem Kommissionsvorschlag gefolgt, dass ebenso kein weiteres der 27 nicht gesperrten Bereiche mehr abgeschlossen werden soll, bevor die Türkei ihre Häfen öffnet. Obwohl sich Österreich - wie Griechenland, Zypern und die Niederlande - die Sperre "von mehr Kapiteln vorstellen hätte können", beurteilte Plassnik die Einigung der Außenminister schließlich als "richtige und kluge Vorgangsweise". Damit sei das Schicksal der Beitrittsverhandlungen "nicht mehr zwingend auf der Tagesordnung des EU-Gipfels" am 14. und 15. Dezember, so Steinmeier, "außer jemand spricht es an."