Reformvorhaben liegen auf Eis. | Istanbul. (apa) Die Türkei hat ihr Ziel aufgegeben, bis spätestens Mitte des kommenden Jahrzehnts in die EU aufgenommen zu werden. "Hin und wieder lese ich: 2013 oder 2014 ist das Datum für die Vollmitgliedschaft", sagte EU-Minister Egemen Bagis zuletzt bei einer Europa-Konferenz. "Ich halte das für nicht sehr realistisch."
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Noch vor zwei Jahren hatte sich Ankara vorgenommen, mit Hilfe eines Reformprogramms bis 2013 oder 2014 fit für die EU zu sein. Doch wie Bagis zugab, fehlt der Türkei derzeit der rechte Schwung für neue Reformanstrengungen.
Bagis, der auch türkischer Verhandlungsführer bei den EU-Beitrittsgesprächen in Brüssel ist, ist erst seit Anfang des Jahres im Amt. In dieser Zeit hat er offenbar erlebt, wie schwer es ist, in Ankara politische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Reformen auf die Tagesordnung zu setzen. Freimütig räumte der Minister bei einer Konferenz der staatsnahen Unternehmervereinigung Müsiad ein, dass vom türkischen Reformdrang nicht mehr viel zu sehen ist.
Statt sich um raschere Reformen zu kümmern, widmet sich Premier Recep Tayyip Erdogan lieber den Kritikern der Türkei in der EU. In einem Interview wies er etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit ungewöhnlich scharfen Worten zurecht. Türkische EU-Anhänger raufen sich unterdessen die Haare: Die richtige Antwort auf die Bedenken Deutschlands und Frankreichs im Hinblick auf einen türkischen EU-Beitritt ist nicht Kritik sondern rasche Reformen, meint etwa der Kommentator Ali Birand in der Zeitung "Posta".