Ankara plant Befestigungsanlage an Schnittstelle mit dem benachbarten Iran.
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Nikosia/Ankara. Weil sie sich von Feinden und Flüchtlingen bedroht sieht, mauert sich die Türkei immer weiter ein. Laut Berichten türkischer Medien plant Ankara jetzt den Bau neuer Grenzanlagen zum Iran, die auch eine 70 Kilometer lange Betonmauer an den östlichen Provinzen Agri und Igdir einschließen. Die Befestigungsanlage soll offiziell Angriffe der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus deren Lagern im Iran verhindern, dürfte aber auch gegen neue Migrantenankünfte aus Asien gerichtet sein.
Die Tageszeitung "Hürriyet" berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsbeamten, dass der neue Grenzwall 800 bis 1000 "PKK-Terroristen" abwehren soll, die sich in sechs Lagern nahe der Grenze zur Türkei und Armenien aufhielten. "Sie dringen in die Türkei ein, führen Anschläge durch und verschwinden wieder", wird der Informant zitiert. Außerdem nutzten die Militanten die grenznahe Region West-Aserbaidschan im Iran als Rückzugsraum, wenn die türkischen Sicherheitskräfte Anti-Terror-Operationen in den Grenzprovinzen durchführten. "Als Abwehrmaßnahme werden wir eine 70 Kilometer lange Mauer entlang der Grenze in den Provinzen Agri und Igdir bauen und den Rest (der 500 Kilometer langen Grenze) mit Wachtürmen und Stahlzäunen befestigen", erklärte der Regierungsbeamte.
Allerdings ist die türkisch-iranische Grenze nahe Armenien bisher keinesfalls unbefestigt gewesen. Zäune und Wachtürme sind in dem bergigen, beiderseits von Kurden bewohnten Gelände seit Jahrzehnten türkischer Standard. Sie richten sich nicht nur gegen die PKK-Rebellen, die im Iran rund 3000 Kämpfer unter Waffen haben sollen, sondern auch gegen die zahlreichen Schmuggler, die in dem unwegsamen Gelände Zigaretten, Heroin oder Benzin transportieren. Und zunehmend befördern sie auch Menschen, vor allem aus Afghanistan.
Militärische Abschottung undMittel für Flüchtlingspolitik
Seit dem Beginn der Kämpfe in ihrem Land vor fast 40 Jahren sind Millionen Afghanen in den Iran geflüchtet, nicht wenige wollen inzwischen in die Türkei oder von dort nach Europa weiterziehen. Vor anderthalb Monaten schlug der türkische Vizepremier Veysi Kaynak Alarm und warnte in einem Interview mit dem TV-Sender CNN Türk, dass rund drei Millionen "illegale Migranten", vorwiegend Afghanen, vom Iran auf dem Weg in die Türkei seien. Laut Kaynak seien allein im Vorjahr insgesamt 30.000 Flüchtlinge in die ostanatolischen Provinzen Agri und Igdir gekommen. "Wir befürchten, dass der Iran die Wanderbewegung in die Türkei ignoriert, auch wenn er sie nicht unbedingt befördert."
Es dürfte kein Zufall sein, dass Ankara die neue Grenzmauer deshalb genau an der Grenze dieser beiden Provinzen zum Iran errichtet. Die Türkei hat ein massives Flüchtlingsproblem. So hat sie seit dem Beginn des Syrienkriegs 2011 schon mehr als drei Millionen Menschen aus dem Nachbarland aufgenommen. Da den Flüchtlingen der Weg über die Ägäis in die EU aufgrund des gemeinsamen Flüchtlingsdeals weitgehend versperrt ist, sieht sich die Türkei jetzt offenbar zum Handeln gezwungen.
Wie mit dem neuen Betonwall zum Iran, so verfolgt Ankara auch mit dem Bau einer Grenzmauer zu Syrien neben der militärischen Abschottung gegenüber den syrischen Kurdengebieten und dem dschihadistischen "Islamischen Staat" (IS) vor allem flüchtlingspolitische Ziele. 350 Kilometer hat der staatliche türkische Baukonzern Toki bereits fertiggestellt. Der Wall erinnert in Anlage und Aussehen an die frühere DDR-Grenze.
Wie dort verläuft zwischen zwei Betonmauern eine Straße, daneben liegen teilweise Minenfelder. In regelmäßigen Abständen stehen Überwachungskameras und erheben sich Wachtürme. Das Sicherungssystem hat Fluchtbewegungen aus Syrien bereits weitgehend gestoppt. Die Türkei plant, die gesamte, rund 900 km lange Grenze zu Syrien zuzumauern.
Kämpfe zwischen PKK und Armee intensiviert
Vornehmlich dem Kampf gegen die PKK sollen zudem neue Sicherheitsmaßnahmen entlang der Schnellstraße zwischen den ostanatolischen Provinzen Elazig und Tunceli dienen, an der die Militanten immer wieder Anschläge auf Anti-Terror-Einheiten verüben. Kameras sollen eine lückenlose Überwachung gewährleisten, wird der hohe Regierungsbeamte in "Hürriyet" zitiert. Die Maßnahme solle "die Moral der Sicherheitskräfte heben".
Die Moral hat vermutlich bereits ein massiver Waffenfund am Wochenende befördert, als Sicherheitskräfte in Sirnak das "größte Waffen- und Munitionslager der PKK im Land" aushoben. Darunter fanden sie Mörsergranaten, Panzerabwehrgeschosse und Maschinengewehre, teilte die Armeeführung mit.
Unterdessen haben sich die Kämpfe zwischen der PKK und Regierungstruppen wieder intensiviert. Am Montag meldete das türkische Militär die "Ausschaltung von 16 PKK-Terroristen" in Südostanatolien. Am Dienstag wurden bei der Explosion einer versteckten Sprengladung durch die PKK in der Provinz Hakkari laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mindestens drei Soldaten verletzt.