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Türkei in der EU "als Vermittler extrem wichtig"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Asselborn verweist auf künftige weltpolitische Aufgaben. | Irland-Votum: "Intervention schadet". | "Wiener Zeitung": Einen Monat vor dem Referendum ist die Zustimmung zum Lissabonner Vertrag in Irland wie schon vor dem gescheiterten ersten Anlauf im Juni 2008 deutlich zurückgegangen. Erwartet uns am 2. Oktober ein Déjà-Vu?


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Jean Asselborn: Ich hoffe nicht. Natürlich kann ich den Ausgang des Referendums nicht vorhersagen, aber ich bin zuversichtlich. Bis jetzt ist das Ja noch sehr hoch im Kurs und wir haben erwartet, dass die Ablehnung ein wenig größer wird, nachdem das Datum fixiert wurde. Jetzt zählt, dass die Einmischungsbestrebungen von uns allen auf einem Minimum gehalten werden. Denn das könnte nur schaden.

Verliert das Ja-Lager, weil die ersten Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung die Notwendigkeit der EU-Integration in der Krise nicht mehr so vordringlich erscheinen lassen?

Aber die Iren haben sich ja noch nicht erholt. Sie müssen nur sehen, wie dramatisch ihre Wirtschaft zusammengebrochen ist und die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt verlaufen sind. Zeichen einer Erholung spürt man dort noch nicht.

Was würde denn passieren, wenn sie dennoch Nein zum Lissabonner Vertrag sagten?

Wenn die Iren Nein sagen, haben wir keine Chance mehr, Lissabon umzusetzen. Dann bleiben wir beim Vertrag von Nizza und müssen eine neue Kommission bestimmen - das wird zwar ein Problem, aber das Leben geht weiter. Das Fatale dabei ist, dass wir international das Bild abgeben, dass wir uns dauernd nur mit uns selbst beschäftigen, anstatt uns zu konsolidieren und den großen Problemen der Welt zuzuwenden.

Sehen Sie eine Möglichkeit, dass das EU-Parlament José Manuel Barroso als künftigen Kommissionspräsidenten doch noch kippt? Von der Umsetzung des Lissabonner Vertrags hängt auch die Zukunft der Erweiterung ab. Schon jetzt haben wir einen De-facto-Stillstand. Wie beurteilen Sie das als Erweiterungsbefürworter?

Wenn Sie den Ländern des Balkans die Beitrittsperspektive nehmen, ist das für die Menschen in der Region eine Katastrophe. Darum wäre ich sehr froh, wenn wir mit Serbien, dem größten Land der Region, endlich das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (eine Voraussetzung für künftige Beitrittsverhandlungen, Anm.) umsetzen würden.

Auch ohne die Auslieferung des als Kriegsverbrecher gesuchten Ex-Generals Ratko Mladic, wie das die Niederlande verlangen?

Die erste wirklich pro-europäische serbische Regierung unter Präsident Boris Tadic ist ja hundertprozentig engagiert, um ihn zu fassen. Und Stillstand ist auf dem Balkan unwahrscheinlich gefährlich; denn das bedeutet Rückschritt und könnte dramatische Folgen haben. Mir scheint daher 2020 eine anstrebenswerte Perspektive, alle Balkanländer in die EU aufgenommen zu haben.

Wo bleibt neben diesen Ambitionen die Türkei?

Ich kenne die Sensibilität in Österreich. Doch die Türkei ist extrem wichtig, wenn die Europäische Union wirklich maßgeblich in der Weltpolitik mitspielen will. Ein gutes Beispiel dafür ist die türkische Vermittlerrolle im Konflikt zwischen Israel und Syrien.

"Wenn die Iren Nein sagen, haben wir keine Chance mehr, Lissabon umzusetzen."

Zur Person

Jean Asselborn (60) ist Außenminister und Vizepremier Luxemburgs. Er startete seine Laufbahn als Gewerkschafter und blickt mittlerweile auf eine lange Karriere in der Luxemburger Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP) zurück.