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Türkei: Investieren in die Zukunft

Von Gerhard Hain

Wirtschaft
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Ein Land mit enormen Chancen für uns, wenn man weiß, wie man mit den Menschen dieses Landes richtig kommuniziert und verhandelt.


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Im süd- und südosteuropäischen Raum nimmt die Türkei eine immer größere Rolle ein. Die Folgen der Finanzkrise hat das Land kaum gespürt, 2010 ist die Wirtschaftsleistung um neun Prozent gewachsen. Österreich ist bereits letztes Jahr Investor Nummer eins in der Türkei gewesen und hat dorthin Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Euro exportiert, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Um aber in diesem Land des Brückenschlags zwischen Europa und Asien geschäftlich erfolgreich zu sein, muss man, vielleicht noch mehr als in vielen anderen Ländern, seine Kultur nicht nur verstanden, sondern wirklich verinnerlicht haben.

In Österreich geht es oft bereits beim ersten Kontakt zunächst um eine sachliche beziehungsweise fachliche Akzeptanz des Gegenübers. Persönliches wird vorerst ausgeklammert und entwickelt sich eventuell später. Anders in der Türkei, wo gute Beziehungen die Basis des sozialen Lebens sind und daher immer erst das persönliche und familiäre Umfeld des Gegenübers abgeprüft wird. Sie sollten daher Ihrem Gesprächspartner viel Zeit geben, um eine persönliche Beziehung herzustellen.

Das vermeintlich ziellose Gespräch, der vierte Tee oder das gemeinsame Essen sind alles Aktivitäten, die in der Türkei als Teil der "Beziehungspflege" von zentraler Bedeutung sind. Sich Zeit zu nehmen und sich für das Gegenüber zu interessieren ist in der Türkei eine unabdingbare Voraussetzung für nachhaltigen Vertrauensaufbau. Schnelligkeit und Zielstrebigkeit werden leicht als Überheblichkeit und Taktlosigkeit interpretiert.

Türken haben auch, wie die meisten orientalischen Kulturen, eine parallele Zeitplanung, das heißt, sie sind es gewohnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu bearbeiten. In Besprechungen folgen sie oft nicht strikt einer vorher festgelegten Tagesordnung, sondern sprechen verschiedene Punkte an und wechseln öfter zwischen mehreren Themen hin und her. Auch Termine und Verabredungen werden oft flexibel gehandhabt: Wenn etwas Wichtiges dazwischenkommt, wie zum Beispiel der spontane Besuch eines nahen Verwandten, werden auch länger geplante Termine kurzfristig abgesagt.

Es kann auch schon einmal sein, dass Gespräche länger dauern, Termine nicht eingehalten werden oder es eine Welle braucht, bis es zum Geschäft kommt. Österreicher müssen dann oft improvisieren, weil Türken keine Freunde großer methodischer Planung sind und ihre Erzählweise meist nicht sehr planvoll, sondern von einem indirekten, blumigen Stil geprägt ist. Für österreichische Ohren klingt das oft wie "Geschwafel", doch den Erzählvorgang durch direkte Fragen abzukürzen, ist der falsche Weg. Erfahrungen vieler Österreicher auf der Suche nach geschäftlichen Kontakten: "Ich bin verwirrt über den Gebrauch von Ja und Nein. Erst beteuern meine Partner, dass etwas auf keinen Fall geht, und dann klappt es doch noch oder sie sagen ,Kein Problem und es wird nichts daraus."

Ja und Nein haben für Türken keinen absoluten Charakter, sondern kennzeichnen häufig nur den Beginn eines Gesprächs oder drücken in erster Linie den subjektiven Willen des Gesprächspartners aus. Anliegen werden meist nicht direkt vorgebracht, sondern indirekt im Nebensatz angedeutet. So kann die Person, an die die Bitte gerichtet ist, diese leichter ignorieren, ohne dass eine Seite dabei das Gesicht verliert. Ein direktes "Nein" wird selten ausgesprochen. Wenn etwas nicht möglich ist oder man dem Wunsch nicht nachkommen will, sagt man eher, man wolle es sich überlegen oder später noch einmal darüber sprechen.

Gerhard Hain ist Managing Partner der Unternehmensberatung ti communication Dr. Fischhof GmbH in Wien.

www.ticommunication.eu

E-Mail:

wien@ticommunication.eu