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"Verunglimpfung des Türkentums": Sechs Monate Haft. | Brüssel. Erweiterungskommissar Olli Rehn ist enttäuscht. Das türkische Höchstgericht hat eine sechsmonatige Haftstrafe auf Bewährung gegen den armenischen Journalisten Hrant Dink wegen "Verunglimpfung des Türkentums" bestätigt.
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Dieses Urteil schränke die Meinungsfreiheit in der Türkei ein, sagte Rehn gestern, Mittwoch. Das erste Mal haben die Richter damit den Paragraphen 301 des neuen türkischen Strafgesetzbuchs auf höchster Ebene ausgelegt. Auf die "öffentliche Verunglimpfung der Republik und der Großen Türkischen Nationalversammlung" steht dort bis zu drei Jahre Haft.
Präzedenzfall kreiert
Damit werde ein verbindlicher Präzedenzfall für Urteile auf Basis des umstrittenen Paragraphen geschafften, befürchtet Rehn. Die Entscheidung zeige, dass die türkischen Gerichte nicht in der Lage seien, eine Urteilspraxis in Übereinstimmung mit EU-Standards zu etablieren. Die türkischen Behörden müssten den Paragraphen 301 dringend ändern, um die Meinungsfreiheit in der Türkei zu garantieren, forderte der finnische Kommissar. Denn Meinungsfreiheit sei ein Herzstück der Demokratie und ein Schlüsselerfordernis der Kopenhagener Kriterien für den EU-Beitritt.
Dink, Chefredakteur der in Istanbul erscheinenden armenisch-türkischen Wochenzeitschrift "Agos", hatte in einer Kolumne vor gut zwei Jahren Überlegungen über die Massaker an christlichen Armeniern während des Niedergangs des osmanischen Reichs im ersten Weltkrieg und das Staatsbürgerschaftsverständnis in der Türkei angestellt. Dieses solle nicht vom "Türkentum" gekennzeichnet sein, fand er.