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Türkei macht Druck auf die Kurden

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Rund 100.000 Soldaten stehen an der Grenze zum Irak bereit. Die türkische Führung lässt keinen Tag vergehen ohne klarzumachen, dass sie mit der "Geduld am Ende" sei.


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Die martialischen Gesten führen zu hektischen diplomatischen Bemühungen, um einen Einmarsch türkischer Truppen in den Nordirak zu verhindern. Zu viel steht für die USA und die verbündete irakische Regierung auf dem Spiel. Die praktisch autonome Kurdenregion im Norden des Irak ist die letzte halbwegs friedliche Region im von Gewalt zerrissenen Land. Bei einer Invasion würden die Flüchtlingsströme weiter anschwellen. Und ohnehin stehen der Region turbulente Zeiten bevor, weil noch heuer ein Referendum entscheiden soll, ob die Erdölmetropole Kirkuk, am Rande des Kurdengebietes gelegen, diesem zugeschlagen wird.

Andererseits steht die frisch gewählte türkische Regierung selbst unter Druck. Die Opposition will die Anschläge der kurdischen Kämpfer mit Gewalt gegen deren Stützpunkte im Irak beantwortet sehen. Auch wenn die AKP allein regiert, kann sie die wütenden Demonstrationen im Geiste des Nationalismus und die starke Position des Militärs, das über tote und entführte Soldaten empört ist, nicht ignorieren.

Die Gratwanderung der AKP scheint bisher erfolgreich zu verlaufen. Mit Luftangriffen wird versucht, die Gemüter im Inland zu beruhigen. Drohgebärden und Truppenaufmarsch haben zu Versprechen geführt, die PKK im Nordirak im Zaum zu halten - nicht nur von der irakischen Zentralregierung in Bagdad, sondern auch von Führern der Autonomieprovinzen. Die Türken nehmen nämlich auch die Regionalregierung in die Zwickzange.

Die Elektrizitätslieferungen ins kurdische Gebiet werden gekürzt, die billigen Stromtarife in Frage gestellt, die Handelsströme über die Grenze bei Harbur durch scharfe Kontrollen gebremst. Zudem werden die umfangreichen Geschäfte des irakischen Kurdenpräsidenten Mammud Barsani in der Türkei unter die Lupe genommen. Sogar an einer Nebenfront gibt es einen Erfolg für Ankara: Das US-Repräsentantenhaus ver schob die Abstimmung über die Resolution, die die Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet.

Die Versuche, die Türken zu besänftigen, werden in Ankara wohl mit Erleichterung aufgenommen werden. Denn ein militärischer Erfolg gegen die PKK erscheint mehr als fraglich. Alle bisherigen Operationen dieser Art sind gescheitert. Die Guerillakämpfer sind seit Jahrzehnten im Überleben geschult und haben breite Unterstützung in der einheimischen Bevölkerung. Zur Zeit steht außerdem der strenge Winter bevor. Und die Türken haben ein warnendes Beispiel vor Augen: Als Israel wegen zweier entführter Soldaten im Libanon einmarschierte, endete dies desaströs für die Invasoren. Seite 8