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Türkei: Oppositionschef Baykal stolpert über Sex-Affäre

Von Susanne Güsten

Europaarchiv

Video über Schäferstündchen mit Geliebter im Internet. | Istanbul. (apa) In der Türkei hat jetzt ein Sex-Skandal die Karriere von Oppositionschef Deniz Baykal beendet. Er wurde bei einem Schäferstündchen mit seiner Geliebten gefilmt. Am Montag trat er deshalb zurück - zumindest vorerst.


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Nun rätselt die politische Klasse, wer das Video ins Internet gebracht haben könnte. War es die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan, die ihren schärfsten Kritiker demontieren will? Waren es innerparteiliche Gegner Baykals? War es gar das böse Ausland? Und tritt Baykal am Ende vom Rücktritt wieder zurück? Mit Wonne geben sich die Türken ihrem Hang zu Verschwörungstheorien hin.

Für eine ganze Generation von Türken ist eine Polit-Szene in Ankara ohne den 71-jährigen Deniz Baykal etwas völlig Neues. Baykal sitzt seit 1973 im Parlament, er war kurzzeitig Außenminister und Vize-Premier, mit einigen Unterbrechungen stand er fast 20 Jahre an der Spitze der linksnationalistischen Partei CHP. Als Oppositionschef in Ankara führte Baykal in den vergangenen Jahren den Widerstand gegen die religiös-konservative Regierung Erdogan an, fuhr dabei aber einen destruktiven und nationalistischen Kurs, der selbst viele CHP-Mitglieder abschreckte. Nicht wegen, sondern trotz Baykal erhalte die CHP rund 20 Prozent der Wählerstimmen, lautet ein oft gehörter Spruch in Ankara.

Nun stolperte Baykal über ein Sex-Video, mit versteckter Kamera aufgenommen in einem Schlaf- oder Hotelzimmer. Die Aufnahmen, die am Wochenende im Internet auftauchten, zeigen den seit Jahrzehnten verheirateten Baykal mit Nesrin Baytok, seiner Sekretärin, die auch für die CHP im Parlament sitzt. Spektakulär sind die körnigen Aufnahmen nicht gerade, doch sieht man Baykal und Baytok halbnackt durchs Zimmer laufen.

Baykal bestätigte die Echtheit des Clips: Er sprach von "frischen" Aufnahmen und einem ebenso illegalen wie unmoralischen Eingriff in die Intimsphäre. Erdogan selbst und führende Regierungspolitiker zeigten sich bestürzt und versprachen, alles zur Aufklärung des Skandals zu tun. Baykal selbst hält das für ein Täuschungsmanöver. Er sieht das Sex-Band als Teil eines Komplotts der Regierung. In den vergangenen Wochen hatten sich Baykals CHP und Erdogans Regierungspartei AKP einen erbitterten Streit um Verfassungsänderungen geliefert, in denen die CHP einen Versuch einer islamistischen Machtergreifung sieht. Der Sex-Clip ziele nicht auf eine Person, sondern auf den Widerstand "gegen den zivilen Staatsstreich", der gerade ablaufe, sagte Baykal.