Zum Hauptinhalt springen

Türkei sieht ihre Position gegenüber der EU gestärkt

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die Türkei hat vor dem Hintergrund der angepeilten EU-Mitgliedschaft in einer zweiwöchigen Sondersitzung mehrere Verfassungsreformen gebilligt. Auf Grund der weltpolitischen Ereignisse und seiner geopolitischen Lage sieht das NATO-Land seine Position gegenüber der Union gestärkt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das türkische Parlament hat 34 Änderungen des Grundgesetzes beschlossen, das auf die Zeit nach dem Militärputsch von 1980 zurückging. Die wichtigsten Neuerungen: Die Todesstrafe wird zwar nicht gänzlich abgeschafft, aber künftig auf "Terrorakte" und Hochverrat beschränkt. Kurdische TV- und Rundfunksendungen werden zugelassen, einzelne Sendungen können hingegen aus Gründen der "nationalen Sicherheit" verboten werden. Auch der kurdische Schulunterricht bleibt untersagt. Die Türkei erkennt die zwölf Millionen im Land lebenden Kurden nicht als Minderheit an. Der Kampf für einen eigenen kurdischen Staat wird als "terroristischer Akt" betrachtet.

Die neue Verfassung stärkt die Rolle der Zivilisten im Nationalen Sicherheitsrat, ihre Zahl steigt von fünf auf neun; dem Gremium gehören aber weiterhin fünf Generäle an. Beschlüsse des bisher von den Militärs beherrschten Sicherheitsrates sollen künftig keinen bindenden Charakter mehr haben. Die Privatsphäre wird stärker als bisher geschützt.

"Unsere Aufgabe ist noch nicht erfüllt", forderte Ministerpräsident Bülent Ecevit eine rasche Umsetzung der Verfassungsreformen. Die entsprechenden Gesetze müssen jedoch erst angepasst werden. So muss etwa die Verkürzung der Polizeihaft zunächst in Strafgesetzen und Polizeiverordnungen verankert werden. Umstritten ist innerhalb der Regierungskoalition bereits die gesetzliche Konkretisierung der beschlossenen Sprachfreiheit für Kurden auch in elektronischen Medien. Die EU wird genau beobachten, wann, ob und wie die Neuerungen umgesetzt werden.

Die Türkei ihrerseits fordert mehr denn je das Mitspracherecht bei der geplanten europäischen Eingreiftruppe ein. Zudem ist sich das Land der Unterstützung der USA sicher: Die Vereinigten Staaten haben dem Land bereits die Streichung von Schulden für militärische Anschaffungen in Aussicht gestellt.