Österreich will Verhandlungen zu blockiertem Kapitel Energie öffnen. | Spindelegger lädt Deutschland und Türkei zu Integrationskongress. | Ankara. Sie nahmen sich Zeit füreinander. Fast eine Stunde dauerte das Tete-a-tete zwischen den Außenministern Österreichs und der Türkei, Michael Spindelegger und Ahmet Davutoglu, bei Spindeleggers Arbeitsbesuch in der Türkei. Denn trotz aller Bekundungen der guten Beziehungen zwischen Wien und Ankara gibt es genug Themen, die für Spannungen zwischen den beiden Ländern sorgen - sei es die Skepsis in Österreich gegenüber einem möglichen EU-Beitritt der Türkei, sei es die Integration von Türken in Wien.
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Um Zweiteres besser voranzubringen, lud Spindelegger seinen Amtskollegen zu einer Integrationskonferenz ein. Diese könnte im kommenden Frühjahr in Wien stattfinden. Dabei wollen sich die drei Länder - auch Deutschland soll eingebunden sein - Gedanken über ein Zusammenleben machen. Vereine und Nichtregierungsorganisationen sollen sich ebenfalls daran beteiligen.
Was unter Integration zu verstehen sei, machte Davutoglu dabei gleich klar: Türken, die in Österreich leben, sollen Deutsch lernen und sich an die im Land geltenden Gesetze halten. "Das soll aber nicht zu einem Identitätsproblem werden", fügte der Außenminister hinzu. Es gehe um gegenseitigen Respekt und nicht um Assimilation, wo eine Kultur die andere zerstöre. Die Tatsache, dass so viele Türken in Österreich leben, sollte laut Davutoglu nicht als Gefahr sondern als gutes Potenzial für die Zukunft gesehen werden.
Österreich reagiertzurückhaltend
So erfreut sich Spindelegger über die Äußerungen zum Spracherwerb zeigte, so vorsichtig reagierte er auf die scherzhaften Versuche seines Kollegen, Österreich bei den EU-Beitrittsverhandlungen auf die Seite der Türkei zu ziehen. Wien könnte doch ein Fürsprecher Ankaras in der Union werden, meinte Davutoglu. Immerhin seien die beiden Länder so etwas wie Nachbarn - miteinander verbunden über die Donau.
Eine begeisterte Unterstützung Ankaras dürfte Wien allerdings schwer fallen, nicht zuletzt wegen der Skepsis in der österreichischen Bevölkerung. Zwar betont es nicht mehr - wie noch vor ein paar Jahren -, dass es eine privilegierte Partnerschaft der Türkei einer Mitgliedschaft vorziehen würde. Doch verweist es nun immer wieder auf den Beschluss der EU-Staaten zu den Beitrittsverhandlungen: Diese seien ergebnisoffen zu führen. Und auch wenn sie abgeschlossen werden, gibt es da noch immer Referenden dazu, wie etwa in Österreich.
Dennoch erklärte Spindelegger: "Wir sind nicht die Bremser." Österreich blockiere keine Verhandlungskapitel. Allerdings sollten sich beide Seiten nicht auf das Ergebnis der Gespräche sondern den Prozess selbst konzentrieren. So könnten zwei weitere Verhandlungskapitel eröffnet werden. Wien wäre laut Spindelegger auch daran interessiert, den Bereich Energie auf die Agenda zu setzen - immerhin gehören österreichische Unternehmen zu den größten Investoren im türkischen Energiesektor. Dieses Kapitel ist aber von Zypern blockiert.
Ankara setzt aufEinzelgespräche
So wie andere auch. Frankreich etwa wehrt sich gegen die Eröffnung der Kapitel Regionalpolitik oder Finanz- und Haushaltsvorschriften. Und acht Bereiche sind überhaupt eingefroren. Ankara hat sich nämlich bis jetzt geweigert, seine Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge zu öffnen.
Doch auch wenn die Gespräche deswegen schon bald zu einem Stillstand kommen könnten, bleibt der EU-Beitritt offiziell ein primäres Ziel der türkischen Regierung. Dabei setzt Davutoglu auch auf persönliche Überzeugungsarbeit: Einen Tag vor dem Treffen mit Spindelegger kam er mit dem polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski zusammen. Heute, Freitag, ist er in Deutschland, kommende Woche in Brüssel. "Und wir werden weiter so arbeiten", erklärte Davutoglu: "Bis wir Mitglied der Europäischen Union sind."