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Türkis-grünes Licht ins Dunkel

Von Jan Michael Marchart

Politik
© stock.adobe.com/Shawn Hempel

ÖVP und Grüne wollen einen transparenteren Staat. Alleine kommen sie hier aber nicht weiter.


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Das Kapitel zur Transparenz ist einer der Schwerpunkte aus dem türkis-grünen Arbeitsprogramm. Es ist auch einer der Abschnitte mit grüner Handschrift, der trotz stichwortartiger Aufzählung bereits recht konkret ausformuliert ist. Demnach soll das verfassungsrechtliche Amtsgeheimnis fallen und der Rechnungshof die Parteifinanzen prüfen dürfen. Letzteres wollen ÖVP und Grüne dem staatlichen Kontrollorgan sogar "jederzeit" ermöglichen, wenn ein begründeter Verdacht auf Verletzung des Parteiengesetzes vorliegt. Die Präsidentin des Rechnungshofs Margit Kraker spricht von einem "Meilenstein".

Derzeit ist die Prüfkompetenz des Rechnungshofs noch erheblich eingeschränkt. Von sich aus darf die Behörde keinen Blick in die Bücher der Parteien werfen. Zweifelt der Rechnungshof Angaben aus dem Rechenschaftsbericht einer Partei an, darf er auch nur dem zuständigen Wirtschaftsprüfer Fragen stellen und nicht einmal der Partei selbst. Ob die erfragten Angaben stimmen, kann der Rechnungshof obendrein nicht nachprüfen.

Genau dieser Passus war bereits im Sommer ein viel diskutiertes Thema, als noch das "freie Spiel der Kräfte" im Parlament herrschte. Durchgesetzt hatten sich allerdings nur Spendenobergrenzen, ein Kompromiss von SPÖ, Freiheitlichen und der Liste Jetzt in Sachen Transparenz.

SPÖ signalisiert "Gesprächsbereitschaft"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner lehnte es ab, dass mit dem Rechnungshof eine "staatliche Institution in parteipolitische Finanzen sehen darf". Dieser lasse weisungsgebundene Beamte prüfen, Wirtschaftsprüfer hingegen bezeichnete Rendi-Wagner als unabhängige Finanzexperten. Das wurde damals als Zweifel an der Objektivität und Unabhängigkeit des Rechnungshofs interpretiert. Ex-Innenminister Herbert Kickl bezeichnete den Rechnungshof sogar als "Hilfsorgan der ÖVP in der aktuellen Konstellation". Kraker, die ihre ÖVP-Mitgliedschaft mit ihrer Präsidentschaft ruhend stellte und Türkis-Blau oftmals kritisierte, wehrte sich gegen die Vorwürfe.

Aus der SPÖ wird nun "Gesprächsbereitschaft" für die notwendige Zweidrittelmehrheit für das türkis-grüne Vorhaben signalisiert. Man will sich aber internationale Vergleiche ansehen. Die FPÖ sieht es kritisch, dass der Rechnungshof die Parteien prüfen soll, da dieser von den Nationalratsparteien bestellt werde. Das sei eine "Themenverfehlung". Dafür gibt es aus Sicht der FPÖ den unabhängigen Transparenzsenat.

Laut Regierungsprogramm möchte Türkis-Grün auch die Sanktionen für Parteienverschärfen, wenn sie die Wahlkampfkosten überschreiten. Das Niveau der Strafzahlungen orientiert sich an der Höhe des Überschreitungsbetrags und kann auf bis zu 200 Prozent ansteigen. In den Rechenschaftsberichten sollen künftig auch nahestehende Organisationen von Parteien ausgewiesen werden. Auch zur "Verhinderung von Umgehungskonstruktionen", wie in einem weiteren, noch recht vagen Punkt angeführt wird.

Der Rechnungshof soll überdies noch an einer weiteren Stelle gestärkt werden. Möglicherweise ist dies eine leichte Reaktion auf die Casinos-Affäre. Konkret sieht der Koalitionspakt Prüfrechte für Firmen vor, die zu mehr als einem Viertel (derzeit 50 Prozent) in öffentlicher Hand sind. Davon ausgenommen sind allerdings börsennotierte Staatsfirmen, womit Unternehmen wie die Casinos AG erst recht nicht vom Rechnungshof geprüft werden dürfen.

Der zweite große Brocken des Transparenzkapitels ist das geplante Ende des Amtsgeheimnisses. Seit Jahren beißen sich Regierungen daran die Zähne aus. Herausgekommen sind bisher wie unter Rot-Schwarz 2014 vor allem Kompromisse mit etlichen Hintertüren, die nichts verändert hätten. Bis auf die Freiheitlichen wollen alle Parteien zumindest darüber diskutieren.

Weitreichender Plan mit Schönheitsfehlern

Nun soll es ein "einklagbares Recht auf Informationsfreiheit", ebenfalls eine Zweidrittelmaterie, im gesamten Staat und staatsnahen Bereich geben. Dies aber mit Ausnahmen: Börsennotierte Firmen sind ausgenommen und "kein Informationsrecht" gibt es bei erforderlichen oder verhältnismäßigen Gründen für eine Geheimhaltung, etwa wenn es um die nationale Sicherheit oder die Landesverteidigung geht.

Mathias Huter, Mitbegründer des Forums Informationsfreiheit, kann dem "detailliertesten Versprechen" der vergangenen Jahre in vielen Punkten, etwa dem Zugang zu Dokumenten etwas abgewinnen. Huter nennt neben der Gebührenfreiheit von Anfragen die Schaffung eines zentralen Transparenzregisters und dass Gutachten, Studien und Verträge ab gewissen Schwellenwerten veröffentlicht werden müssen. Wie hoch dieser Schwellenwert sein wird, ist noch offen. Der Experte will aber einmal einen konkreten Entwurf abwarten.

Huter kritisiert am bisher Bekannten vor allem die lange Antwortfrist für Behörden. Diese kann von vier auf acht Wochen ausgedehnt werden. Gegenüber EU-Institutionen gelten 15 Tage, in anderen EU-Staaten nur eine Woche. "Mit einer langen Frist kann die Transparenzwirkung für aktuelle politische Themen geschmälert werden." Außerdem vermisst er einen Informationsfreiheitsbeauftragten, der das Gesetz überwacht und eine Anlaufstelle für Bürger ist. Die Datenschutzbehörde soll laut Koalitionsprogramm nur die öffentlichen Institutionen beraten.