ÖVP-Wien-Wahlkampfauftakt: Blümel spielt mit "Chance auf etwas wirklich Neues". Eine Analyse.
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Am Samstag findet der Landesparteitag der Wiener ÖVP mit der Wiederwahl von Gernot Blümel zum Landesparteiobmann statt - und damit wohl auch der Wahlkampfauftakt der Türkisen. Am Redepult werden u.a. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Europaministerin Karoline Edstadler erwartet.
Schon im Vorfeld des Parteitags ließ Blümel wissen: "Bei der Wien-Wahl gibt es nach fast 100 Jahren die echte Chance auf etwas wirklich Neues und die Chance, dass Wien neu regiert werden kann." Ob die Türkisen es tatsächlich darauf anlegen wollen, die SPÖ aus dem Rathaus zu jagen, ist aber fraglich. Laut Insider handelt es sich hier in erster Linie um eine zugkräftige Mobilisierungsansage: Ein Wahlziel, wie es schon lange keines mehr gegeben hat - die Ankündigung von Christine Marek anno 2010, dass sie Co-Pilotin im roten Flieger werden wolle, hatte niemanden zu den Wahlurnen gelockt. Das war übrigens in jener Zeit, als Sebastian Kurz gerade für die junge ÖVP auf dem "Geilomobil" posierte.
Fünf Jahre später versuchte Manfred Juraczka mit einem autofreundlichen Programm gegen die Grünen zu punkten - und scheiterte. Gernot Blümel hingegen will sich erst gar nicht als Koalitionspartner anbiedern. Wozu auch: Der Wiener SPÖ ist ihr Hauptgegner FPÖ abhanden gekommen und die Mutterpartei rennt mit Anlauf auf den Abgrund zu. Und ein Wunsch nach Veränderung ist bei der Stadtbevölkerung vorhanden - auch wenn es ihr in einer unbestreitbar gut verwalteten Stadt gut geht.
Rote Zugeständnisse
Auf der anderen Seite wird sich die ÖVP in Wien nicht auf eine Koalition mit zwei anderen Parteien einlassen, wenn sie die Möglichkeit bekommen sollte, etwa das Finanz- oder das Verkehrs- und Planungsressort zu bekommen. Blümel wird sich jedenfalls nicht mit Kleinigkeiten abspeisen lassen. Und das alles weiß man natürlich in der SPÖ - und pflegt dementsprechend auch Beziehungen zum schwarzen Lager.
Zugeständnisse von den Roten bekommt die ÖVP schon jetzt geliefert - gespielt über die Bande der Wiener Wirtschaftskammer. Ein Beispiel ist da etwa die von Bürgermeister Michael Ludwig angekündigte Bevorzugung von Wiener Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe - der sogenannte Wien-Bonus. Damit stärkt Ludwig den Wiener Wirtschaftskammerpräsidenten, der auch gleichzeitig Wiener Wirtschaftsbundobmann ist. Blümel wiederum weiß, dass er in Wien ohne Wirtschaft nicht weit kommen wird, Sebastian Kurz lässt ihm freie Hand und wird sich nicht groß in den Wahlkampf einmischen. Insofern wird die Ansage, den roten Bürgermeister absetzen zu wollen, nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird. Abgesehen davon ist die Struktur der Türkisen auf Bundesebene, wo Kurz noch vollen Durchgriff hat, eine andere als in Wien.
So gibt es Bezirke, die noch aus einer schwarzen Tradition heraus gerne ihr eigenes Süppchen kochen - und zwar mit handfesten. realpolitischen Themenbereichen, die nicht im Einflussbereich der Landesorganisation liegen. Das trifft natürlich auch auf die Bünde zu. Die lassen sich alle nicht so leicht auf Linie bringen.
Mehr rechts
Wobei man mittlerweile nicht mehr so grob unterscheiden kann zwischen den "alten" bürgerlichen, sozialpartnerschaftlich orientierten Schwarzen, denen bei Sebastian Kurz die christlich-soziale Komponente fehlt - und den Türkisen, die eher neoliberal ausgerichtet sind und Marketing und Etikette vor Inhalte stellen. Mittlerweile dürfte innerhalb der ÖVP die Definition eines "Türkisen" sein, einfach weiter rechts zu stehen. Tatsächlich hat die ÖVP unter Kurz begonnen, einen härteren Ausländerkurs zu fahren und populistischer zu agieren.
Für die Türkisen steht der Staat über allem und sie machen Politik, die überall hineingreift - in Kollektivverträge, in Sozialversicherungen. Das entspricht nicht jener Bürgergesellschaft, wie sie etwa noch Andreas Khol definiert hatte - also die Verantwortung an Kammern und Sozialversicherung im Sinne der Selbstverwaltung zu übertragen. ÖVPler von diesem Schlag gibt es in Wien noch sehr viele. Deswegen würde sich Blümel auch niemals trauen, mit Ruck einen Krieg anzufangen. Und so lange der von den Roten bei Laune gehalten wird, hat die SPÖ nichts zu fürchten - außer vielleicht die Grünen.