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Studenten verschiedener Herkunft treffen sich regelmäßig in Wien. | Beide Seiten wollen die andere Sprache und Kultur kennenlernen. | Wien. "Würde ich nicht studieren, bräuchte ich die deutsche Sprache eigentlich gar nicht", meint der seit einem Jahr in Wien lebende Student der Politikwissenschaft Ihsan. Eine zufällige
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Begegnung im Oktober mit dem Theologieabsolventen Klemens motivierte ihn, Deutsch zu lernen und etwas über die österreichische Kultur zu erfahren. Sie beschlossen, sich künftig regelmäßig zu treffen und dabei auch Freunde mitzunehmen.
Mittlerweile nehmen rund 20 Personen mehrmals im Monat an den Treffen in Wohnheimen oder verschiedenen Lokalen unter dem Motto "AvusturyaTürkei - ÖsterreichTürkiye" teil. In der Gruppe finden sich Österreicher mit und ohne Migrationshintergrund sowie gebürtige Türken, die zum Studieren nach Österreich gekommen sind. Letztere leben im türkischen Studentenheim "Wonder", in dem ausschließlich Türkisch gesprochen wird. "Es ist wie ein abgeschlossenes System. Den Kontakt zur restlichen Stadt stellen wir nur aus Eigeninitiative her", so Enes, ein 20-jähriger angehender Architekt.
Notwendig für die Bewältigung des Alltags sei der Kontakt zur "Außenwelt" aber nicht.
Insgesamt 2100 Türken studieren zurzeit in Österreich. Dass einige in Wien ins "Wonder" gehen, liegt auch an den Studienbedingungen, gerade für Personen aus Drittstaaten: Eine andere Unterkunft, in der auch Deutsch gesprochen wird, ist wegen der höheren Kosten nicht leistbar und aufgrund der nicht verfügbaren Arbeitserlaubnis ist auch ein Job ausgeschlossen. "Wir wissen, dass man auch schwarz arbeiten kann, aber das kommt für mich nicht in Frage, da ich in einem sozialen Bereich tätig sein will", sagt Yunus, ein türkischer Politikwissenschaftstudent.
Für die Organisatorin der Treffen Vivian waren ihre persönlichen Erfahrungen, in Wien als jemand mit Migrationshintergrund zu leben und behandelt zu werden, ein Hauptgrund, die gemeinsamen Treffen zu gestalten. "Ich fand es war an der Zeit, gegen die von der FPÖ geschürten Feindbilder aktiv zu werden. Als ich von der Gruppe erfahren habe, war das für mich wie ein Zeichen", so die gebürtige Brasilianerin und angehende Theologin. Es sei zwar nur ein kleiner Beitrag, aber jedenfalls besser als nichts zu tun.
Besuch der Moschee und gemeinsame Weihnachtsfeier
Vivian arrangiert zweimal im Monat je einen Diskussionsabend und ein Freizeittreffen, bei dem sich die Studierenden zum gemeinsamen Abendessen zusammenfinden, diverse Kulturveranstaltungen besuchen oder Ausflüge durch die Stadt machen, wie zum Beispiel am Rathausplatz.
Während die Türken vorrangig dabei sind, um sich in der deutschen Sprache zu üben, geht es für viele der Österreicher darum, authentisch und aus erster Hand etwas über die türkische Kultur zu erfahren. So haben etwa Vivian und Klemens damit angefangen, Türkisch zu lernen. Eine andere Teilnehmerin sagt, dass viele über den Islam und die Türkei reden und meinen, etwas darüber zu wissen, aber nur die Wenigsten wüssten wirklich etwas.
Klemens nutzte die Möglichkeit, mit den türkischen Studenten gemeinsam in eine Moschee zu gehen, um sich alle Fragen, die er hatte, aus erster Hand beantworten zu lassen. "Noch authentischer geht es nicht." Im Gegenzug lud er seine neu gewonnen türkischen Freunde zum Weihnachtsfest zu sich nach Hause ein, inklusive eines Crashkurses in Sachen Weihnachtslieder.