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Wenn Gott sagt, dass sich die Sonne um eine Scheibe dreht, ist das zu akzeptieren. Jeder Forscher, der etwas anderes nachweist, arbeitet einfach nicht gut: Herauskommen muss, was Gott will. In diese Richtung geht die geplante Bildungsreform der Türkei. Künftig soll an türkischen Schulen Darwins Evolutionstheorie nicht unterrichtet werden. Statt die Selektion der Arten zu begreifen, soll die Jugend an den Schöpfergott glauben. In einer Theokratie schreibt die Religion vor, was die Bürger denken sollen. Der neue Lehrplan aus Ankara ist ein Mosaikstein auf dem Weg von einer laizistischen Demokratie in einen Gottesstaat. Charles Darwin ist nicht der einzige Sündenfall, es werden auch Wissenschafter verhaftet und Universitäten gemaßregelt.
Um daran zu erinnern, wie hart sich die westliche Welt die Trennung von Kirche und Staat erkämpfen musste, braucht man nicht bis ins Mittelalter zurückblicken. US-Präsidentschaftskandidat William J. Bryan ließ 1919 öffentlich verlauten, der Erste Weltkrieg sei ein Produkt des Darwinismus und bedrohe das Christentum. In den 1930er Jahren war die Evolutionstheorie an Schulen in 20 US-Staaten verboten und bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Lehrer geklagt, die sie trotzdem lehrten. Erst ab den 1960er Jahren setzte sich ein Weltbild durch, das allen Bürgern selbstverständlich das Recht auf freies Denken, freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, freie Lebensgestaltung und eine freie Forschung gibt. Wer diese Werte liebt, muss für den Laizismus eintreten, denn nur wenn Religion Privatsache ist, sind sie gewährt.