Patriarchale Kultur bleibt weiterhin dominant. | Landesweit nur 18 Bürgermeisterinnen. | Istanbul. Im türkischen Parlament haben Männer die Hosen an. Denn Frauen dürfen es gar nicht. Die jetzige Parlamentsordnung sieht vor, dass weibliche Mandatare Röcke tragen, die übers Knie gehen. Das soll sich jedoch in Kürze ändern. Wenige Tage vor dem Internationalen Frauentag - und nach zahlreichen Anträgen über Jahre hinweg - haben die Abgeordneten einer Änderung zugestimmt, die es auch Parlamentarierinnen ermöglicht, Hosen zu tragen.
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Allzu sehr wird sich das Bild bei künftigen Sitzungen dennoch nicht ändern. Denn in der Nationalversammlung in Ankara sind gerade einmal 50 Frauen vertreten - nicht einmal jeder zehnte Abgeordnete ist weiblich. Von starker politischer Beteiligung von Frauen ist die Türkei noch weit entfernt, auch 75 Jahre nach Einführung des passiven Frauenwahlrechts und trotz Gesetze zur Gleichstellung der Geschlechter.
So haben Frauenorganisationen auch vor den Ende März stattfindenden Kommunalwahlen Kampagnen zur Einbindung von Frauen in die Politik gestartet und einmal mehr die Parteien dazu aufgefordert, Geschlechterquoten einzuführen. Auf lokaler Ebene sind Frauen nämlich ebenso nur schwach vertreten.
Von den 3225 Bürgermeisterposten in der Türkei sind nur 18 mit Frauen besetzt. Die Beteiligungsquote in den Gemeinden beträgt nicht einmal 2,5 Prozent: Auf 34.477 Verwaltungsposten gibt es 834 Frauen.
Frauen entmutigt
Laut der Organisation Ka-Der, die sich für mehr politische Einbindung einsetzt, haben die drei größten Parteien - die regierende AKP sowie die oppositionellen CHP und MHP - auf ihren Kandidatenlisten für Bürgermeisterämter lediglich zwischen 0,6 und 2,5 Prozent für Frauen reserviert. Die meisten Kandidatinnen hat die pro-kurdische DTP aufgestellt: Elf Prozent der Bewerber sind Frauen. Die DTP ist auch die einzige Fraktion mit einer Frauenquote. Diese beträgt 40 Prozent.
Die Gründe für die geringe politische Beteiligung von Frauen sieht Büsra Ersanli vor allem in der patriarchalen Kultur, die in der Türkei noch immer signifikant ist und sich durch alle Bereiche zieht. "Frauen werden systematisch entmutigt, in die Politik zu gehen, die Männer als ihre Angelegenheit sehen", sagt die Politologin an der Marmara-Universität und Ka-Der-Aktivistin.
Nicht nur Quoten
In einem Land wie der Türkei wäre positive Diskriminierung besonders wichtig, und die sollte sich nicht nur in Frauenquoten erschöpfen. So hätten Frauenorganisationen auch die Schaffung einer parlamentarischen Gleichstellungskommission gefordert. "Nun wird eine Kommission eingesetzt, die die Möglichkeiten untersucht", erzählt Ersanli. "Das ist uns zu wenig, weil Möglichkeiten von Frauen nur ein Aspekt der Gleichstellung sind. Aber es ist ein Schritt vorwärts."
Das Argument, dass Frauen sich weniger für Politik interessieren als Männer, lässt Büsra Ersanli nicht gelten. "Wenn es so wäre, wäre die Zahl an Frauenorganisationen bis hin zur lokalen Ebene in den letzten zehn Jahren nicht derartig gestiegen." Auch in der Gesellschaft wachse das Bewusstsein zur Ungleichbehandlung - langsam, aber doch.