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Türkische Nadelstiche - Ankara setzt Maßnahmen gegen Vereinigte Staaten

Von Susanne Güsten

Politik

Türkei ruft Botschafter aus Washington zurück. | Irak-Einmarsch trotz EU-Bedenken. | Istanbul. (apa) Die Türkei hat nach der amerikanischen Armenier-Entscheidung mit Gegenmaßnahmen begonnen. Der türkische Botschafter in Washington wurde zu Konsultationen zurückgerufen, die türkische Armee sagte einen Besuch in den USA ab. Mit einer Eskalationsstrategie will die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan den USA den angerichteten Schaden deutlich machen. Dazu gehört die Drohung, den US-Nachschub für den Irak zu kappen.


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Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für die türkische Militärintervention zur Bekämpfung der PKK-Kurdenguerilla im Nordirak auf Hochtouren. Dass die türkische EU-Bewerbung dabei Schaden nehmen könnte, schreckt Ankara nicht: Solche Konsequenzen würden in Kauf genommen, sagte der Premier.

Die Entscheidung des Außenpolitischen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses, die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord einzustufen, hat das amerikanische Ansehen in der Türkei auf einen neuen Tiefpunkt abstürzen lassen. Und Ankara will es nicht bei verbalen Reaktionen belassen.

Rice ist besorgt

Nadelstichartige Sanktionen gegen den Nato-Partner USA stehen am Anfang der türkischen Eskalationsleiter. Der Oberkommandierende der türkischen Marine, Admiral Metin Atac, stornierte einen für kommende Woche geplanten Besuch in den USA. Erwogen wird auch die Absage gemeinsamer Militärmanöver mit der US-Armee.

Sollte das Plenum des Repräsentantenhauses in Washington im kommenden Monat offiziell die Armenier-Resolution übernehmen, will die Türkei zu ernsteren Maßnahmen greifen. Dann geht es um die Schließung der Luftwaffenbasis Incirlik, über die ein Großteil des US-Nachschubes für den Irak abgewickelt wird.

Washington ist ganz offensichtlich sehr besorgt. US-Außenministerin Condoleezza Rice rief Erdogan an, um ihr Bedauern über den Armenier-Beschluss des Ausschusses auszudrücken. Erdogan verwies laut Medienberichten kühl auf den Schaden für die bilateralen Beziehungen. Auch für die in jüngster Zeit verstärkten PKK-Angriffe macht die Türkei die USA verantwortlich: Washington weigert sich seit Jahren, mit US-Besatzungstruppen im Irak gegen die PKK-Stützpunkte im Norden vorzugehen.

Bei ihrer geplanten Militärintervention im Nachbarland wollen die Türken weder auf die Einwände der USA noch auf die Bedenken der EU hören. Das Parlament in Ankara soll kommende Woche einen Grundsatzbeschluss zur Truppenentsendung fällen; das letzte Wort über das Wie und Wann der Militäraktion liegt dann bei Premier Erdogan. Wenn es soweit sei, werde die Armee in den Irak einmarschieren - "koste es, was es wolle", sagte der Premier auf die Frage nach den außenpolitischen Folgen.