Erste Predigt in Marienheiligtum. | Viel Lob für die Gastgeber. | Ephesus. (apa) Er lacht, er winkt, er segnet und er schüttelt die Hände der Gläubigen: Als Papst Benedikt XVI. am Mittwochvormittag am so genannten Marienhaus in der Nähe des antiken Ephesus (Ephesos) in der Westtürkei ankommt, ist ihm anzumerken, dass er sich wie zu Hause fühlt. Seine erste Messe auf türkischem Boden ist ein Heimspiel, auch wenn ihm dabei nur 550 handverlesene Katholiken aus der Türkei und anderen Ländern zujubeln.
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Das Marienhaus ist eine wichtige Pilgerstätte; schon die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. beteten hier. In dem Steinhaus am "Nachtigallenberg" außerhalb des Städtchens Selcuk soll Maria nach dem Kreuztod Jesu den Rest ihres Lebens verbracht haben. Auch Moslems kommen hierher, weil sie auf Fürsprache der Mutter von Jesus hoffen, der im Islam als Prophet geehrt wird.
Auf Türkisch begrüßte Benedikt die Messebesucher, um danach den Frieden ins Zentrum seiner Predigt zu stellen: Christus sei gekommen, "um den Frieden zwischen allen Nationen zu verkünden", erinnerte Benedikt. Vor dem Marienhaus sprach er aber auch die Probleme der Christen in der Türkei an, die jeden Tag "Herausforderungen und Schwierigkeiten" bewältigen müssten. Benedikt erinnerte in diesem Zusammenhang an die Ermordung des katholischen Priesters Andrea Santoro, der Anfang des Jahres im nordosttürkischen Trabzon von einem Teenager erschossen worden war. Seine Kritik an der Lage der Christen verband der Papst mit viel Lob für die Türkei und seine Gastgeber. "Wichtig und positiv" nannte er seine Gespräche mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer vom Vortag.
"Ein schöner Anfang"
Dass Benedikt in diesen Gesprächen seine ablehnende Haltung zur türkischen EU-Bewerbung aufgab und den europäischen Weg Ankaras offenbar unterstützte, hatte am Mittwoch sofort Konsequenzen für das Bild des Papstes in der türkischen Öffentlichkeit: Benedikt wurde über Nacht vom Buhmann zum Freund. "Ein schöner Anfang", titelte "Hürriyet", die größte Zeitung des Landes. Türkische Medien brachten am Mittwoch auch das genaue EU-Zitat des Papstes in seinem Gespräch mit Erdogan: "Ich bin kein Politiker", sagte der Papst demnach. "Aber im Rahmen des Bündnisses der Zivilisationen wollen wir die Türkei und die EU zusammen sehen."
Auch die Tatsache, dass Benedikt in Ankara die Friedfertigkeit des Islam betonte, wurde anerkennend vermerkt: "Wie eine Entschuldigung" für seine als islamfeindlich verstandene Regensburger Rede vom September habe das geklungen, fanden mehrere Kommentatoren.
Auch bei seiner Begegnung mit dem Chef der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, hatte der Papst im Gegensatz zu Regensburg diesmal mit Gregor VII. einen seinen Vorgänger aus dem Jahr 1076 mit den Worten zitiert, der Grund für die Güte, die ein nordafrikanischer Muslim-Prinz seinen christlichen Untertanen gezeigt habe, sei die Tatsache, "dass wir an den einen Gott glauben, wenn auch in unterschiedlicher Weise".
Nicht nur wegen seiner positiven Äußerungen zu den Themen EU und Islam wurde Benedikt von der Presse mit Lob überschüttet. Der Papst habe bei der Ankunft in Ankara aus Rücksicht auf die türkischen Moslems das Kreuz auf seiner Brust unter seinem Mantel versteckt, meldeten die Blätter. Von einer "versöhnlichen Geste" an den Islam war in einer Zeitung die Rede. Besser kann es angesichts der schwierigen Vorgeschichte des Papstbesuches eigentlich nicht mehr laufen, finden einige Türken. Der Leitartikler der Zeitung "Milliyet" zum Beispiel hofft inständig, "dass der Besuch so endet, wie er begonnen hat".
Nach Ephesus stand die Metropole Istanbul auf dem Reiseprogramm des Papstes. Dort traf Benedikt am Abend mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., dem Oberhaupt der Weltorthodoxie, zusammen.