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Türkische Wirtschaft in Jubellaune

Von Ingo Bierschwale

Wirtschaft

"Brüssel ist die neue Hauptstadt unserer Wirtschaft." | Istanbul. (dpa) Die Börsianer in der Türkei ließen sich von der zermürbenden EU-Krisendiplomatie in Luxemburg nicht beirren. Noch bevor der politische Deal über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei fixiert war, feuerte die Börse in Istanbul ein Kursfeuerwerk ab, das den nationalen Index auf den historischen Höchststand von 34.300 Punkten katapultierte. Und der Anstieg nimmt vorerst kein Ende. Am Dienstag schnellte der IMKB um weitere 3,86 Prozent in die Höhe - auf den neuerlichen Rekordstand von 35.624 Punkten.


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"Wir haben niemals den Glauben daran verloren, dass die Verhandlungen beginnen werden", sagte Güler Sabanci, Präsidentin eines der größten Firmenkonglomerate in der Türkei. Mit dem Beginn der Gespräche habe die Türkei einen "Riesenschritt" vorwärts getan, pflichtete Mustafa Koc, Präsident der Koc-Holding, bei. Jetzt komme es für die Türkei darauf an, die bisherige "gewaltige Entwicklung" weiter voranzutreiben und das Erreichte zu sichern. Die türkische Zentralbank intervenierte unterdessen am Devisenmarkt - nicht etwa um eine kränkelnde Lira zu stützen, sondern um die Landeswährung nicht noch härter werden zu lassen.

Investoren aus dem Ausland kommen

In der Türkei werden die Ärmel hochkrempelt. Politische Stabilität, hohes Wirtschaftswachstum und sinkende Inflation haben das Land am Bosporus zu einem begehrten Wirtschaftsstandort gemacht. Ausländische Investoren, die sich früher eher rar gemacht hatten, kommen in Scharen. Die Entscheidung der EU, mit der Türkei über einen Beitritt zu verhandeln, verheiße einen Anstieg des ausländischen Kapitalzuflusses auf über 25 Mrd. Dollar (20,9 Mrd. Euro), frohlockte am Dienstag Mustafa Alper, Generalsekretär der Vereinigung für Auslandskapital (YASED).

Größter Handelspartner ist Deutschland

Volumensmäßig wichtigster Handelspartner der Türkei ist bereits Deutschland. "Die Türkei ist schon die ganze Zeit im Kommen", sagt der Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Istanbul, Marc Landau. Aber natürlich seien jetzt noch einmal "zusätzliche Impulse" zu erwarten. "Bis Jahresende werden wir 2000 deutsche Firmen haben, die in der Türkei vertreten sind." Damit werde sich ihre Zahl innerhalb von zehn Jahren vervierfacht haben. Das deutsch-türkische Handelsvolumen sei nicht zuletzt auf Grund steigender türkischer Exporte von 12 (2001) auf 20 Mrd. Euro (2004) gewachsen. "Die große Stärke der türkischen Exportexpansion liegt darin, das sie stark diversifiziert ist und immer mehr hinzukommt", schwärmt Landau. In Branchen wie etwa der Sanitärkeramik komme die Türkei in Europa auf zweistellige Marktanteile.

Neue gewaltige Herausforderungen sieht auch die Handelskammer der türkischen Wirtschaftsmetropole Istanbul (ITO) auf den Privatsektor zukommen. Leitmotiv der 35 Kapitel, die den Beitrittsverhandlungen mit der EU zu Grund liegen, sei es, die türkischen Standards anzuheben, sagt ITO-Geschäftsführer Murat Yalcintas - was einen großen Markt etwa im Bereich der Umwelt verspricht. Künftig werde die türkische Geschäftswelt mit Auge und Ohr in Brüssel sein, schrieb am Dienstag das Massenblatt "Sabah": "Brüssel ist die neue Hauptstadt der (türkischen) Wirtschaft."