Krieg im Südkaukasus: Baku hat mit Ankara einen entschlossenen Verbündeten und will keinesfalls einlenken.
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Es sind blutige Gefechte entlang der gesamten Frontlinie, die sich Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg-Karabach liefern. Jetzt wächst die Angst, dass der Konflikt völlig außer Kontrolle gerät. In der Vergangenheit war Russland in der Lage gewesen, mäßigend auf die Kontrahenten einzuwirken, diesmal sind die Möglichkeiten Moskaus limitiert. Im Kreml zeigt man sich ratlos und angesichts einer steigenden Zahl ziviler Opfer besorgt. Außenminister Sergej Lawrow fordert eine schnellstmögliche Waffenruhe.
Am Wochenende ist Stepanakert, die Hauptstadt Berg-Karabachs, unter schweren Beschuss geraten. Doch auch Aserbaidschan vermeldet einen Raketenangriff auf seine zweitgrößte Stadt, Ganja. Aserbaidschans Verteidigungsminister Sakir Hasanov spricht von einer "Ausweitung der Kampfzone".
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Scharmützel in Berg-Karabach gab es bereits im Sommer, seit einer Woche tobt der Krieg mit voller Wucht. Seitdem sind mehrere hundert Menschen bei Kämpfen getötet worden.
Wobei der Konflikt selbst weit in die Vergangenheit zurückreicht: Die vor allem von Armeniern besiedelte Region mit 150.000 Einwohnern hat sich schon 1991 von Aserbaidschan losgesagt, es folgte ein Krieg, der 1994 ein vorläufiges Ende fand. Laut Völkerrecht gehört die Region weiter zu Aserbaidschan und wird nicht als unabhängige Republik anerkannt.
Syrische Söldner im Einsatz
Das mehrheitlich christliche Armenien ist mit Russland verbündet, das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan wird mehr denn je von der Türkei unterstützt. In der Vergangenheit hat Russland allerdings auch Aserbaidschan mit Waffen versorgt - so war es Moskau möglich, auf beide Konfliktparteien einzuwirken.
Damit ist es jetzt vorbei, weil Ankara im Sinne seiner neuen "osmanischen" Großmachtspolitik Aserbaidschan nachdrücklicher denn je unterstützt. Kritiker werfen der Türkei vor, syrische Söldner in die Konfliktregion geschickt zu haben. Es soll sich dabei um mindestens 1.000 Kämpfer handeln. Damit droht der nächste Stellvertreter-Krieg. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist es im Frühsommer gelungen, durch den Einsatz von mehreren tausend syrischen Söldnern den Krieg in Libyen zugunsten seiner Verbündeten zu beeinflussen.
Aus welchem Grund genau Erdogan die Eskalation in Berg-Karabach befeuert, ist Beobachtern freilich unklar. Es ist der dritte Schauplatz neben Syrien und Libyen, an dem er Russland ins Gehege kommt.
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Es ist die Unterstützung durch die Türkei, die entscheidend dazu beigetragen hat, dass Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew jetzt kompromissloser denn je versucht, Berg-Karabach zurückzuerobern. Wobei Alijew auch innenpolitisch unter Druck geraten ist. Im Juli gab es in Baku große Demonstrationen für einen Krieg, die das Regime kaum unter Kontrolle bekam.
Die USA spielen keine Rolle
Russland steht zwar auf der Seite Armeniens, Moskau hat hier sogar einen gut ausgebauten Militärstützpunkt. Allerdings hat es der Kreml in den letzten Tagen vermieden, sich klar als Verbündeter Armeniens zu deklarieren. Das Verhältnis zur Regierung in Eriwan ist gespannt, seit dort vor zwei Jahren eine friedliche Revolution die Machtverhältnisse verändert hat.
Die Chancen, dass es der internationalen Diplomatie gelingt, den Konflikt einzudämmen, stehen schlecht. Noch vor einigen Jahren zogen die USA und Russland in der Frage an einem Strang, doch Präsident Donald Trump ist an einer Vermittlung nicht mehr interessiert. Russland will zwar Friedenstruppen schicken, braucht dafür aber das Einverständnis Bakus - und das wird es nicht geben. Offizielles Gremium für eine Vermittlung ist die Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie forderte ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen, doch sind alle Rufe bis jetzt wirkungslos verhallt.(schmoe)