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Türkischer Konsul vergrämt Helfer

Von Linda Say

Politik
Hunderte Spenden für Erdbebenopfer säumten die Wiener Kudlichgasse.

Eine private Spendenaktion wurde zum politischen Konfliktfall.


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Wien. Eine Hilfsaktion, die zuvor in Linz erfolgreich vonstatten gegangen war, geriet in Wien unvermutet aus den Fugen. Grund dafür war Besuch aus dem türkischen Konsulat. Dabei hatte alles so erfolgreich angefangen.

Die Bilder, die tagtäglich seit dem Erdbeben in der ostanatolischen Provinz Van die Medien beherrschen, ließen Studenten in Linz keine Ruhe. Die spontane Idee, Spenden für Opfer zu sammeln, nahm bald Formen an. Mit Hilfe der SPÖ Linz wurde binnen kurzer Zeit ein Lager für Sachspenden und ein Lastwagen für die Lieferung bereitgestellt. Um die Finanzierung kümmerten sich die Studenten, die Spenden von insgesamt 4000 Euro sammelten.

Der Erfolg der Aktion wurde nun auch für das vergangene Wochenende in Wien angestrebt. Am Samstag bot sich den Bewohnern des zehnten Wiener Gemeindebezirks ein ungewohntes Bild. Hunderte Säcke säumten den Gehsteig vor dem Hochzeitssalon "Kral" in der Kudlichgasse 3. Massen von Menschen und Autokolonnen warteten darauf, die mitgebrachte Last abzuladen, um mit dem Gefühl der Nächstenliebe heimzukehren.

Wien ist anders

Die zweitägige Spendensammlung sprengte schon am ersten Tag den Rahmen, sodass immer weniger Hilfsgüter entgegengenommen wurden. "Ich habe meine ganze Verwandtschaft mobilisiert und das Auto voll beladen", gab sich Resul enttäuscht. Der Leiter der Wien-Aktion, Güven K., versuchte vergeblich, die Menschen dankend wegzuschicken.

Währenddessen mühte man sich im Hochzeitssaal damit ab, die Spreu vom Weizen zu trennen, sprich: Brauchbares in Kartons zu packen und zu beschriften, den Rest zu verwerfen. "Es ist teilweise unglaublich, was die Menschen unter Hilfe für Erdbebenopfer verstehen. Während manche gebügelte, kaum getragene Winterkleidung spenden, finden wir in manchen Säcken alles von Hochzeitskleidern über getragene Unterwäsche bis zu löchrigen Socken", wunderte sich Duygu. Sie war von Beginn an dabei.

"Ein Lastwagen ist bereits auf dem Weg, nun wollen wir weitere Lieferungen losschicken", gaben sich die Studentinnen Emine, Cigdem und Dilber zufrieden. Sie organisierten die Hilfsaktion auf der Wirtschaftsuni Wien, wo Sachspenden entgegengenommen und in die Kudlichgasse 3 gebracht wurden. Doch mit so viel Andrang hatten sie nicht gerechnet. Die einzige Sorge wäre, weitere Lastwagen zu organisieren.

Die draußen wartenden Menschen bildeten indes eine Schlange vor dem Eingang zum Saal. Darunter ein Medienvertreter des türkischen TVs in Österreich, der den Generalkonsul Ibrahim Mete Yagli per Telefon über die Aktion und die Massen von Hilfsgütern informierte. Kurz darauf stand Yagli, umringt von zahlreichen Spendern, Helfern und weiteren türkischen Medienvertretern, mitten im Saal, um eine Ansprache zu halten.

"Hier kenne ich keine SPÖ"

Auch wenn er sich zunächst für die Mühe und den gut gemeinten Willen bedankte, machte sich beim Generalkonsul Yagli doch Enttäuschung breit. Schließlich sei er der Vertreter der türkischen Regierung, und die Hilfe richte sich an seine Leute. Man hätte ihn von Anfang an kontaktieren sollen: "Wenn man mich vorher benachrichtigt hätte, würden jetzt zwei, drei Lkw vor der Tür stehen. Wieso fragt man zuerst andere? Bei dieser Sache kenne ich keine SPÖ!"

Während diese Worte einigen Applaus entlockten, stand anderen der Ärger ins Gesicht geschrieben: "Sollen wir uns schuldig fühlen, dass wir nicht ihn, sondern eine österreichische Partei um Hilfe gebeten haben?", fragte einer der Organisatoren, und eine Helferin fügte hinzu: "Hätte der Herr Konsul doch etwas in die Wege geleitet, dann hätten wir uns auch beteiligt."

Der Versuch der Studenten, Yagli eine schriftliche Garantie abzuringen, dass die Lieferung auch tatsächlich bei den Opfern im Dorf ankommt, scheiterte. Er könne nur versichern, dass die Lkw über die Grenze kommen. Außerdem habe sein gesprochenes Wort genauso viel Gewicht wie ein unterzeichnetes Papier.

Helfer ziehen sich zurück

Doch das reichte den Studenten nicht. "Wir lesen tagtäglich, dass die Menschen, die dringend Hilfsgüter wie Pflegemittel, Babynahrung, Windeln und Medikamente brauchen, diese nicht bekommen", beschwert sich Dilber. Türkische Tageszeitungen und Internetblogs berichten über die politisch missliche Lage in Van: Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP weigere sich, mit der in der mehrheitlich kurdischen Region dominanten BDP (Partei für Frieden und Demokratie) zusammenzuarbeiten. Bekannte Journalisten und Nachrichtensprecher wie Mehmet Ali Birand bezeugen dies in eigenen Erfahrungsberichten und sprechen von einer Überheblichkeit der Regierungspartei gegenüber dem in Van ansässigen Volk und der BDP.

"Sobald der Generalkonsul das Zepter übernimmt, wird unsere Spendenaktion politisch. Dabei wollten wir, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft zusammenkommen und miteinander etwas Gutes tun. Ab dem jetzigen Zeitpunkt ist unsere Aktion in Regierungshand", sagten die enttäuschten Studenten.

Die entstandene Furore hatte zur Folge, dass sich immer mehr freiwillige Helfer zurückzogen. "Der Herr Konsul hat die Frauen weggeschickt, indem er sie daran erinnerte, dass sie doch zu Kind und Kegel zurückkehren sollten. An ihre Stelle würden professionelle Leute kommen, die mit dem Ausmisten fortfahren. Ab da hat die Aktion ihren Reiz und Sinn verloren", meint Ümit, der ebenfalls als Helfer gekommen war.

Tatsächlich war das Projekt ab dem Auftritt des Konsuls zweigeteilt: Die Studenten, die nicht daran glaubten, dass die Hilfsgüter unter Yaglis Stabsführung die Bedürftigen erreichen, verpackten die noch auf der Straße stehenden Spenden weiterhin auf eigene Faust. Die bereits im Saal lagernden Kisten fielen Yagli zu.

Auf die versprochenen Lkw des Generalkonsuls verzichteten die Studenten. Stattdessen finanzierten sie mit eigenen Mitteln einen Lkw, der die Hilfspakete nach Linz brachte und bereits auf dem Weg nach Van sein soll. Was den Initiatoren letztendlich bleibt, ist die Hoffnung, dass die Hilfsgüter jene Menschen erreichen, die sie wirklich benötigen.