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Esra Özmen alias EsRAP rappt über Wien und "Ausländer mit Vergnügen".
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Wien. Esra Özmen ist eine Berühmtheit. Zumindest im 20. Bezirk. Hier kennt man die junge Frau mit den dicken schwarzen Locken und dem Boxergang, wenn sie in der Millenniumcity ihre Runden dreht. Auswendig singen türkisstämmige Jugendliche ihre Lieder "Ausländer mit Vergnügen", "Was ist Wien?" oder "Endstation Gleichberechtigung." Özmen ist Rapperin und Brigittenau ist ihre Hood. Hier ist die Ottakringerin mit türkischen Wurzeln zur Schule gegangen, hier verbringt sie ihre Freizeit.
Als "EsRAP" tritt die 22-Jährige gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Enes auf. Sie rappt, er singt den Refrain. "Am Anfang haben alle gesagt, das wird Enes machen, die Esra wird einmal heiraten. Mädchen und Rappen, was ist denn das?" erinnert sich Özmen an die ersten Reaktionen aus der türkischen Community. Sie weiß, dass sie ein Kuriosum ist. Eine Türkin, die mit gepresster Stimme wütend Texte auf Deutsch und Türkisch ins Mikrofon stößt, entspricht nicht unbedingt der Vorstellung ihrer Landsleute.
"Wien erlaubt dir nicht,ein Gangster zu sein"
Doch nach fünf Jahren und mehr als hundert Auftritten hat sie sich längst einen Ruf erarbeitet. Heute kommen selbst türkische Großmütter am Brunnenmarkt auf Özmen zu und bitten sie, ihre Lebensgeschichte in Reimen zu erzählen.
"Ich denke, dass unsere Musik Wirkung gezeigt hat bei den Leuten", sagt sie. In einem Jahr will sie ihr erstes Album herausbringen. Höflich ist sie, diese feiste Frau in der Lederjacke. Sie vermeidet Kraftausdrücke, macht keinen auf dicke Hose. Und sie will niemanden vor den Kopf stoßen. Sie bedient sich Metaphern, damit jeder hineininterpretieren kann, was er will, sowohl bei den Türken als auch bei den Österreichern.
Sie weiß um das allgemein verbreitete Image des Rappers, weiß um ihre Knarren, ihre vermeintliche Promiskuität und das gegenseitige Dissen. Darauf verzichtet Özmen in ihren Texten. Sie belächelt manche Wiener Kollegen, die von angeblichen Kopfschüssen auf der Ottakringer Straße singen. "Wien ist eine brave Stadt. Du kannst hier nicht cool bleiben, mach mal was? Dann bist du im Häfen, dann kommst du raus, machst noch einmal etwas und bist wieder im Häfen", sagt sie, "in Wien erlaubt dir der Staat nicht, ein Gangster zu sein."
Das Arbeiterkind solle besser auf die Sonderschule
Özmen weiß, was es braucht, um in dem Musikgenre Hip Hop zu bestehen: eine gute Biografie, eine, die von Hindernissen erzählt, die überwunden werden musste. Was beim amerikanischen Rapper 50 Cent die Drogenkarriere war, beim Berliner Sido die harte Kindheit im Plattenbau, ist bei Özmen das österreichische Schulsystem und Lehrer, die sie bereits mit sechs Jahren abgeschrieben haben.
"Haben Sie vielleicht einen Zettel für mich?" An diese Worte erinnert sich Esra Özmen genau. Es war der einzige Satz, den sie in der Volksschule auf Deutsch sagen konnte. Die Eltern sprachen kein Deutsch zu Hause, im Fernsehen lief nur türkisches Programm und Kindergarten war damals kein Thema.
Auf die Sonderschule sollte sie geschickt werden, meinten die Lehrer, sie behindere den Unterricht, sei viel langsamer als die anderen Kinder. Trotzdem Özmen schaffte es auf die Hauptschule, lernte wochenlang für jede Schularbeit, so wie es ihre Eltern, eine Hausfrau und ein Bauspengler, immer eingebläut haben.
"Mein Vater hat immer gesagt: Sei ein Kopf größer als wir", erzählt sie. Mit ihren guten Noten hat sie es auf ein Sportrealgymnasium geschafft. Dort war sie die einzige Türkin in der Klasse, eine Ausländerin, die kein Schriftdeutsch sprach, und noch dazu das einzige Arbeiterkind inmitten von Sprösslingen wohlhabender Ärzte und Anwälte. "Ich war der schwarze Punkt in der Mitte", sagt sie und gestikuliert wild mit ihren Händen. Immer wieder haben sie Lehrer zur Seite genommen und gemeint, dass die Schule viel zu hart für sie sei. Ein paar Monate vor der Matura hieß es dann, sie solle doch besser eine Lehre machen oder in die Abendschule gehen, im Gymnasium hätte sie keine Chance. Sie möge sich bitte nichts antun deswegen, erinnert sie sich an die Worte einer Lehrerin, schließlich sei es nicht das Ende der Welt.
Gebrochene Klischees von Österreichern
Damals hat Özmen begonnen, ihrer ersten Texte zu schreiben, sich den Frust von der Seele zu rappen, sie, die schüchterne Einzelgängerin, die vor Referaten zitterte. Über Freunde kam sie in den Jugendverein "Back Bone" im 20. Bezirk, begann ihre Texte das erste Mal aufzunehmen. Und sie lernte eine Sozialarbeiterin kennen, die sie unterstützte und ihr half, die Schule zu wechseln.
Zum ersten Mal begegnete sie einer Österreicherin, die so ganz "unösterreichisch" war. "Für uns sind Österreicher nicht hilfsbereit. Wenn sie etwas essen, bieten sie dir nichts an. Sie ziehen sich zurück, sie lachen und reden nicht mit dir" erklärt Özmen. "Doch diese Klischees, die ich von Österreichern hatte, waren plötzlich gebrochen."
Auf der neuen Schule wurde sie motiviert von den Lehrern - und maturierte. Und das mit gutem Erfolg. Heute studiert sie konzeptuelle Kunst auf der Akademie der bildenden Künste.
Lange hat sie gebraucht, um sich in Wien zu Hause zu fühlen, hier endlich anzukommen. "Man kann hier nicht von null anfangen. Man braucht Erfahrung, um sich hier wohlzufühlen", sagt sie. Mit 22 Jahren ist sie angekommen in Wien, in Österreich, in ihrer Heimat, wie sie es auch in ihrem Lied "Was ist Wien?" rappt: "Mein Herz und mein Sinn schlägt nur für Wien, da kenn ich mich aus, da fühl ich mich halt zu Haus. Ich hab längst meine Anker gesetzt."