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Türkisches Selbstbewusstsein

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Erdogan betont bei UNO-Konferenz Brückenfunktion der Türkei.


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Brüssel/Ankara/Wien. Ob vor einem Rundgang westlicher Politiker durch eine Höhlenkirche in Kappadokien oder bei einem Vortrag in der Wiener Hofburg - auf eines verweist der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan immer wieder gerne: die Brückenfunktion, die sein Land zwischen dem Westen und dem Osten einnehmen kann. Und dass der Islam eine friedliche Religion ist. Dies betonte Erdogan sowohl bei der Türkei-Visite der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor wenigen Tagen als auch nun anlässlich der Konferenz der UN-Initiative "Allianz der Zivilisationen" in Wien.

Doch scheint es für Ankara zunehmend schwierig, die Vermittlerrolle zu spielen. Zum einen halten es vor allem westeuropäische Mitglieder der EU auf Distanz, zum anderen muss sich die türkische Diplomatie auch in den Beziehungen zu ihren östlichen Nachbarn nun mehr auf Konfliktbewältigung denn Freundschaftspflege konzentrieren. Kaum wurden die Minenfelder im Grenzgebiet zu Syrien geräumt und die Beendigung der jahrelangen Feindschaft gefeiert, brach dort ein Bürgerkrieg aus. Das Verhältnis zu Israel hat sich nach einem israelischen Angriff auf ein die Palästinensergebiete ansteuerndes türkisches Hilfsschiff noch immer nicht entspannt. Und die Grenze zu Armenien bleibt weiterhin verschlossen.

Enthusiasmus für Beitritt zur EU schwindet

Dennoch sind die Zeiten lange vorbei, als die Türkei ein verschlossenes Land war, das in erster Linie mit Militärputschen, innenpolitischen Konflikten und wirtschaftlichen Nöten zu kämpfen hatte. Durch eine machtvolle Regierung und die in den vergangenen Jahren gefestigte ökonomische Stärke mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet, will sie auch auf der außenpolitischen, der internationalen Bühne einen wichtigen Platz einnehmen. Daher möchte sie sowohl an den Verhandlungen rund um das iranische Atomprogramm beteiligt sein als auch in der Bewältigung der Syrien-Krise die Richtung vorgeben.

Dass die Ideen dafür auf Widerstand stoßen, hindert Ankara nicht daran, weiterhin hinter den Kulissen dafür zu werben. So setzt sich die türkische Regierung für die Bewaffnung der syrischen Opposition ein, wogegen aber die USA oder Deutschland Vorbehalte äußern.

Bei all diesem Engagement hat Ankara eine andere außenpolitische Priorität jedoch nicht aufgegeben - offiziell zumindest nicht. Die Türkei möchte der Europäischen Union beitreten, auch wenn der Enthusiasmus der Politiker und der Bevölkerung dafür in den letzten Jahren deutlich geschwunden ist. Die Türken fühlen sich nämlich unerwünscht in der Union, was nicht zuletzt durch jüngste Umfragen bestätigt wird. In Deutschland etwa lehnen mehr als die Hälfte der Menschen eine EU-Mitgliedschaft des Landes ab, in Österreich liegt die Zahl noch höher.

Da können Aussagen wie jene des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger für zufriedenes Schmunzeln sorgen. Oettinger hat vor kurzem in Brüssel einen Wirbel ausgelöst, als er prophezeite, dass sich die Haltung der Westeuropäer in den kommenden Jahren stark ändern werde: Deutsche und französische Politiker würden dann auf Knien nach Ankara robben, um die Türkei um einen EU-Beitritt zu bitten.

In die verfahrenen Verhandlungen mit der Union ist zuletzt tatsächlich ein wenig Bewegung gekommen. Frankreich, das gemeinsam mit Zypern die Gespräche blockierte, deutete ein Einlenken an. Paris zeigte sich bereit, ein weiteres der 35 Verhandlungskapitel zu eröffnen. Geschlossen ist erst eines.