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Türkischlernen in der Volksschule

Von Alexia Weiss

Politik

"Trio" enthält Texte auf Türkisch und Balkansprachen. | Lehrbuch gibt es nur für Volksschüler.


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Wien. Sanja Biwald weiß, wie es ist, sich in einer neuen Sprache zurecht finden zu müssen: Als Neunjährige kam sie aus Bosnien nach Österreich. In der Volksschule in Breitenfurt stieg sie in die zweite Klasse ein. Das Deutschlernen ging schnell, erinnert sie sich. "Meine Muttersprache war ja schon sehr gefestigt. Und ich war alphabetisiert." Die vierte Klasse schloss sie mit lauter Einsern ab und wechselte ins Gymnasium.

Heute bringt Biwald als Lehrerin an einer Volksschule in Meidling Kindern Lesen und Schreiben bei. Mit einer Ausnahme sind alle Schüler in Österreich geboren. Für die meisten ist Deutsch dennoch nicht die Muttersprache. "Die Kinder stammen aus den verschiedenen Ländern, aus Bangladesch, der Türkei, Kroatien, Serbien oder Ägypten."

Ihre Muttersprache Bosnisch bringt Biwald im Unterricht immer wieder ein - vor allem dann, wenn sie mit "Trio" arbeitet. "Trio", ein dreisprachiges Leseheft für Volksschüler, 2006 aus der Erkenntnis entstanden, dass es für den Unterricht mit vielen fremdsprachigen Kindern zusätzliche Unterrichtsmaterialien braucht.

"Ich habe als Journalist an einem Artikel über interkulturellen Unterricht gearbeitet", erzählt "Trio"-Chefredakteur Thomas Aistleitner. Der Besuch an zwei Schulen habe ihm vor Augen geführt, wie es ist, in Klassen zu unterrichten, in denen nur wenige Kinder Deutsch als Erstsprache haben. "Es war offensichtlich, dass man anders unterrichten muss. Die Lehrer haben vieles in drei Sprachen auf die Tafel geschrieben." Zum Einsatz kam selbst erstelltes Unterrichtsmaterial. Die Idee sei gewesen, "ein Medium zu machen, das sich für diese Art Unterricht eignet. Ein Medium, mit dem alle arbeiten können".

"Trio" bietet Texte, Rätsel und diverse Ideen auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Türkisch und Deutsch. Auf Übersetzungen wird meist verzichtet. In einem Beitrag kommen alle drei Sprachen vor. "Es lesen dann immer die Kinder vor, die diese Sprache beherrschen", sagt Biwald, die als Redakteurin mitarbeitet. So hören die anderen den Klang dieser Sprache. Durch das Nacherzählen des Gelesenen werden die Kinder in der Muttersprache gefestigt - und gleichzeitig in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt.

Akbaba im Porträt

Die Themen der zwei Mal im Jahr erscheinenden Hefte sind stets aktuell. In der jüngsten Ausgabe wird etwa die ORF-Wettermoderatorin Eser Akbaba porträtiert. Sie kommt aus einer türkisch-kurdischen Familie. Zudem erfahren die Kinder, wie das Internet funktioniert und über welche Medien man heute Nachrichten empfangen kann - von der Zeitung über das Radio, TV und das Notebook bis zum Computer. Ein Beitrag ist in einer Gastsprache gestaltet und in deutscher Übersetzung abgedruckt.

Herausgegeben wird "Trio" vom Unterrichtsministerium. Dort betont man: "Die Tatsache, dass gesellschaftlich wenig geschätzte Migrantensprachen nicht nur in Pausengesprächen, sondern auch während des Unterrichts und in schriftlicher Form präsent sind, hebt das Prestige der Sprachen und verstärkt damit das Selbstbewusstsein ihrer Sprecher und Sprecherinnen." Sprachenvielfalt könne so für alle als Selbstverständlichkeit erlebt werden.

Der Kanon der in Österreich eingesetzten Unterrichtsmaterialien enthält noch nicht viele mehrsprachige Bücher. Immerhin gehen zwei neu erschienene Deutschbücher für den Unterricht der Zehn- bis 14-Jährigen auf die Mehrsprachigkeit ein ("Texte 1" und "Texte 2"). Ziel sei es, dass die Schüler auch in ihren Erstsprachen Fachvokabular aufbauen, heißt es im Unterrichtsressort.

Mehrsprachige Mathematik

Und schließlich bietet die Loseblattsammlung "Interkulturelles Lernen - Mathematik" Kopiervorlagen für die fünfte bis achte Schulstufe. Die Anweisungen und Textbeispiele sind hier auf Deutsch, Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch formuliert. Diese Materialien sind besonders für Seiteneinsteiger gut geeignet - sie können so problemlos am Mathematikunterricht teilnehmen und erwerben durch den Sprachvergleich parallel Deutschkenntnisse. Andere Schüler, die noch Probleme mit der deutschen Fachsprache haben, können hier ihre Lücken schließen, betont man im Unterrichtsministerium.

Aus Sicht Aistleitners gibt es jedenfalls noch zu wenige mehrsprachige Unterrichtsmaterialien. "Trio" wurde für Volksschüler konzipiert - wird aber bis zur sechsten Schulstufe eingesetzt. "Wohl auch mangels anderer Materialien", so der Chefredakteur. Er sieht diesen Mangel "als Resultat der Haltung, dass die Erstsprache keine wichtige Ressource und Deutschlernen alles ist". Hier sei aber schon viel in Bewegung gekommen - entscheidend sei, "dass jede Sprache eine pflegenswerte und ausbaufähige Ressource ist".

Pädagogen suchen jedenfalls stets nach neuen, geeigneten Unterrichtsmaterialien. Gibt es keine Bücher, springen immer öfter Online-Plattformen ein.

Im Unterrichtsministerium nennt man folgende stark genutzte Seiten:

www.woerterwelt.at
www.muttersprachlicher-unterricht.at
www.buch-mehrsprachig.at
www.sprachensteckbriefe.at
www.projekte-interkulturell.at