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Tusk: Die letzte Chance genutzt

Von Florian Kellermann

Europaarchiv

Nach zwei Niederlagen endlich Wahlsieger. | 50-Jähriger setzt auf Ruhe und Gelassenheit. | Warschau. (apa) Donald Tusk gibt sich gern gelassen. "Wissen Sie, um wie viel Brot und Kartoffeln in den zwei Jahren ihrer Regierungszeit teurer geworden sind?" - nicht mit Verbalattacken, sondern mit dieser trockenen Frage brachte er Premier Jaroslaw Kaczynski beim Fernsehduell eine Woche vor der Wahl aus dem Konzept. Ruhe und Sachlichkeit sind bei Tusk Programm. Sein Hauptvorwurf gegen die rechtskonservative Noch-Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Wahlkampf war der Streit, den die PiS mit vielen Gesellschaft- und Berufsgruppen angezettelt hatte. "Wir haben jetzt die Pflicht, das Land zu einen", sagte Tusk nach dem Wahlsieg.


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Mit seiner Ruhe hat Tusk 2005 schon zwei Wahlen verloren. Erst als Chef der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) die Parlamentswahl und dann das Rennen um das Präsidentenamt. Nach noch einer Niederlage hätte er den Vorsitz in seiner Partei sicher abgeben müssen. Aber diesmal kam Tusk plötzlich an: Die meisten Polen hatten genug von Kaczynskis starken Sprüchen, auch wenn er damit immer dem Volk aus der Seele sprechen wollte.

Wie die meisten konservativen Politiker in Polen gehörte der heute 50-jährige Tusk in den 1980er Jahren der Solidarnosc-Bewegung gegen das kommunistische Regime an. Er gründete eine unabhängige Studentenvereinigung in Danzig und schrieb für eine regierungskritische Zeitschrift. Weil er in staatlichen Einrichtungen keine Anstellung mehr fand, ernährte sich der Historiker sieben Jahre lang von physischer Arbeit. Die Genossenschaft "Swietlik" nahm ihn auf. Diese war von einem Regimegegner gegründet worden und spezialisierte sich auf die Bemalung von Industrie-Schornsteinen. "Ich war ein Illegaler, habe Fußball gespielt und konnte einiges an Alkohol vertragen - das hat für den Anfang gereicht", sagte Tusk später über diese Zeit.

Liberale Reformen

Dass ihm in der Diktatur eine private Firma das Auskommen sicherte, machte Tusk zu einem überzeugten Anhänger der Marktwirtschaft. Seit dem demokratischen Umbruch 1989 setzt er sich für Privatisierung und liberale Reformen ein, obwohl das lange unpopulär blieb: Bei der Parlamentswahl 1993 übersprang seine Partei KLD nicht einmal die Fünf-Prozent-Hürde. Erfolg mit seinen Ansichten hatte Tusk erst 2001. Zusammen mit anderen ehemaligen Genossenschaftern der Firma Swietlik gründete er die "Bürgerplattform", die sofort zur größten Oppositionspartei im Parlament wurde. Dort setzte er sich in den vergangenen beiden Jahren mit dem wirtschaftsliberalen gegen den konservativen Flügel durch.