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Typisch ägyptisch

Von David Axmann

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Wer wachen Blicks durchs Ausland reist, sieht hinterher die Heimat oft mit anderen Augen. Das kann ihrem Ansehen zwar abträglich sein, jedoch auch förderlich, und manchmal vermag so ein internationaler Ansichtenvergleich sogar den Reputationsstand des ORF zu heben. Wie anders erscheinen einem die oft bekrittelten Programme ORF 1 und ORF 2 vor dem Gegenbild zum Beispiel eines typisch ägyptischen Fernsehabends!

Der Großteil des Abendprogramms findet im Studio statt, das in etliche Nischen unterteilt und in neoorientalischer Manier eingerichtet ist; die Beleuchtungskörper stammen vermutlich aus dem Versandhaus "1001 Nachttischlampe". In den Nischen sitzen ein, zwei oder mehrere Personen, beiderlei Geschlechts, die Monologe, Dialoge oder Diskussionen führen; sie alle sind westlich gekleidet, die Frauen tragen helle Kostüme, die Männer dunkle Anzüge und Schnurrbärte. Zur Auflockerung zwischen den Sprechstunden zeigt man lokale Familiengeschichten, auch historischen Zuschnitts.

Die darin auftretenden Schauspieler sind natürlich morgenländisch gewandet. Etwa in dieser markanten Szene: Auf dem Boden eines wüstenstädtischen Hauses liegt ein weißbärtiger Mann in den letzten Zügen, schwer atmend, fast schon gebrochenen Auges - und vor ihm stehen zwei mit Schwertern bewaffnete Männer, vielleicht des Verbleichenden Söhne, einander Flüsterflüche zuzischend. Plötzlich rennen beide hinaus auf die staubige Straße und brüllen, Allah sei Dank, einander aufs mir Unverständlichste an. Ich liebe den ORF!