Wenn es um Korruptionsbekämpfung geht, nimmt die EU mit Vorliebe zwei neue Mitglieder in Osteuropa ins Visier. Aber Kerneuropa holt im | moralischen Niedergang flott auf.
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Zuerst die gute Nachricht: Die EU-Kommission wacht streng über jene Mitglieder, die den europäischen Standard noch nicht ganz erreicht haben, namentlich Rumänien und Bulgarien. "In Schlüsselbereichen wie der Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene und der organisierten Kriminalität sind jedoch noch keine überzeugenden Ergebnisse sichtbar", schrieben die Hüter der Moral den Bulgaren in einem "Zwischenbericht" ins Stammbuch.
"Rumänien müsste vor allem mehr zur Bekämpfung der Korruption auf höchster Ebene und zur dauerhaften gesetzlichen und institutionellen Verankerung der Anti-Korruptionsmaßnahmen tun", hieß es mit gleichem Datum 14. Februar über Rumänien.
Ganz typisch, da unten am oder hinter dem Balkan, was soll man erwarten. Sonst noch was? Ach ja, es gab merkwürdige Erscheinungen in Kerneuropa, das die Standards vorgibt, nach denen Rumänien und Bulgarien beurteilt werden.
Da ist beispielsweise ein Herr Klaus Zumwinkel, Ex-Chef der Deutschen Post, der als leuchtende Symbolfigur aller Steuerhinterzieher über einen kriminellen Datenkopierer stolperte, dem die Finanzbehörden die gestohlenen Daten um mehrere Millionen Euro abgekauft haben.
Der rettende Hafen
In diesem Täterdreieck ist nicht mehr herauszufinden, bei wem die kriminelle Potenz liegt. Möglicherweise ohnedies nicht hier, sondern - aus Deutschland (und Österreich?) gesehen - im ausländischen Liechtenstein. Dieses wiederum hat im Kielwasser des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz einen derart absonderlichen Status, dass es wie der rettende Hafen für alle wird, die ihr Schwarzgeld nicht gleich nach Rumänien und Bulgarien verfrachten wollen. Korruption braucht nämlich rechtsstaatliche Sicherheit.
Wo beginnt der Balkan?
Während die schmuddelige Geschichte um die Korrumpierung des VW-Betriebsrates durch führende Konzernmanager (oder umgekehrt) mit der Verurteilung des Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert zu zweieinhalb Jahren Haft möglicherweise beendet ist, erfreut sich der Siemens-Konzern ungebrochener Aufmerksamkeit.
Dass in den vergangenen Jahren runde 1,3 Milliarden Euro abgezweigt wurden, um das Siemens-Weltgeschäft zu schmieren, veranlasste den Anti-Korruptionsbeauftragten des Konzerns (so einer ist in der Not erfunden worden) Andreas Pohlmann zur beachtlichen Feststellung: "Wir haben es mit einer Führungskultur zu tun, die an vielen Stellen mit Recht und Gesetz und Richtlinien nicht im Einklang stand. Und zwar über viele Jahre." Das klingt schon fast so wie der EU-Zwischenbericht über Rumänien.
Das Korruptionsradar der EU hätte vielleicht auch rascher das EU-Parlament einbeziehen sollen, in dem manche Abgeordnete horrend hohe Sekretariatsgelder einstreichen, ohne Sekretariate zu haben. Oder das österreichische Außenministerium, dessen Diplomaten im Visahandel sich eines "x-tausendfachen Amtsmissbrauchs" schuldig machten - sagte Richter Peter Liebetreu. Oder den "Verein der Freunde der Wiener Polizei" der bewies, dass die rotweißroten Heimnetzwerke noch immer lautlos Angebot und Nachfrage zwischen der staatlichen Obrigkeit und denen ausgleichen, die Macht, Geld oder beides haben.
Und wo beginnt wirklich der Balkan?