"Islamophobie ist kein guter Zustand." | Ihre Ursachen sind mannigfaltig. | "Wiener Zeitung": Sind Islamophobie und Islamfeindschaft synonyme Ausdrücke? | Kenan Güngör: Islamophobie ist mit Ängstlichkeit und Islamablehnung verbunden. In Islamfeindschaft muss man hingegen erst einmal Energie hineinstecken. Islamophobie geht oft mit Islamfeindschaft einher, aber es besteht ein Unterschied zwischen diffuser Ablehnung und einer stark artikulierten Islamfeindschaft.
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Wenn Islamophobie nur eine Befindlichkeit ist, ist sie dann verwerflich?
Sie ist zumindest kein guter Zustand. Allerdings hat sie verschiedene Gründe. Es gibt nicht den einen islamophoben Typus. Wie Islamophobie jeweils zu bewerten ist, hängt auch davon ab, ob sie reale Momente enthält, oder sich nur auf eine vage Befindlichkeit oder ein Überheblichkeitsgefühl stützt. Einem Christ in Algerien oder Marokko wird man seine reale Angst vor bestimmten Formen des Islam nicht vorwerfen können. Aber woher rührt diese Angst in Österreich?
Die Gründe scheinen verschieden zu sein.
Da ist etwa die Angst vor Terrorismus und Extremismus. Stärker ausgeprägt als bei uns ist sie vermutlich unter Muslimen im islamischen Raum, denn weltweit sind vor allem Muslime Opfer des Terrors. Bei uns erzeugt hingegen die Terrorismus-Debatte ein unangenehmes Bild vom Islam. Das hat starken Einfluss.
Gibt es noch andere Gründe?
Die modernistische Kritik sieht im Islam eine Bedrohung für mühsam erkämpfte Errungenschaften wie Feminismus, Freiheit, Recht, weil er der modernen Gesellschaft widerspreche.
Diese Form der Islamophobie gibt es ebenfalls bei verschiedenen Personentypen.
Solche Religionskritik war ursprünglich Domäne der Linken. Nun wird sie von den Rechten okkupiert, die sich als Advokaten der Moderne präsentieren. Besonders an symbolischen Themen, wie dem Schwimmunterricht, entsteht die Debatte, ob sich der Islam mit liberalen Gesellschaften verträgt. Auch hier gibt es real begründete Islamophobie, und zwar von Seiten der Betroffenen, also Personen, die soziale Kontrolle in ihrer eigenen Community erleben. Wo liegt andererseits die Bedrohung für die angestammte Bevölkerung?
Manche verteidigen auch das christliche Abendland.
Dieser dritten Bewegung liegt eine ideologisch religiöse Abwertung des anderen zugrunde, die mit einer Beschönigung der eigenen Religion und Kultur einhergeht. So ein Bedürfnis tut jeder Gruppenbeziehung gut. Weil sich die drei Verweisungshorizonte überlappen, hat Islamophobie einen so breiten Effekt.
Gibt es begründete und unbegründete Islamophobie?
Die Frage ist, ob ihre Gründe real oder imaginiert sind. Der Islam steht medial in problematischem Licht. Natürlich sind die Medien-Berichte nicht nur eine Inszenierung, sondern behandeln reale Gegebenheiten. Aber der Horizont, in dem der Islam gesehen wird, beruht nicht auf unmittelbarem Erfahrungswissen, sondern auf vermitteltem Wissen, das Bild-gebende Kraft hat. Dieses belastete Bild entlädt sich etwa bei Moscheebauvorhaben. Warum erzeugen sie so viel Wirbel? Unwissenheit und das Unbehagen, zu etwas Fremden keinen Zugang zu haben, mischen sich mit einem schlechten Islam-Bild. Daraus entstehen Phantasien, die an den Lebensrealitäten der Menschen vorbeigehen.
Erklärt das auch die Emotionalität der Islam-Debatte?
Im areligiöser werdenden Europa erzeugt die wachsende Islamisierung der islamischen Community eine Irritation. Man sieht darin eine Ablehnung eigener Lebensvorstellungen, was eine narzistische Kränkung erzeugt. Islamisierung wird als Zurückweisung und Undankbarkeit empfunden im Sinne von: "Sind wir denen nicht gut genug?" Sichtbare Zeichen wie Moscheebauten gelten als Beleg dafür, dass Muslime wenig mit unserer Gesellschaft zu tun haben wollen.
Was könnten islamische Vertreter dagegen tun?
Die islamische Gemeinschaft muss sich pro-aktiver und stärker von bestimmten islamischen Bewegungen abgrenzen, statt nur zu beschwichtigen. Die internen Debatten der Muslime sind für die Mehrheitsbevölkerung kaum sichtbar. Das erzeugt einen monolithischen Eindruck.