Ab Freitag berät Arbeitsgruppe Reform der Nationalrats-Geschäftsordnung.
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Wien. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist eines der wichtigsten Mittel, das der Opposition zur Verfügung steht, wenn es darum geht, vermeintliche Verfehlungen der Regierungsparteien anzukreiden. Die Krux an der Sache ist freilich, dass sowohl die Einrichtung eines U-Ausschusses als auch alle dort gefassten Beschlüsse eine Frage der Mehrheit sind - de facto also der Regierungskoalition. So war es für SPÖ und ÖVP ein Leichtes, von der bisherigen Gepflogenheit abzuweichen und der Opposition eine Zeugenliste aufzuzwingen, die die Wünsche von FPÖ, Grünen und BZÖ weitgehend unberücksichtigt lässt.
Die Oppositionsparteien reagierten mit der Einberufung einer Nationalratssondersitzung - der ersten von möglicherweise mehreren. Viel mehr bleibt Blauen, Grünen und Orangen auch gar nicht übrig, solange Untersuchungsausschüsse kein Minderheitenrecht sind - und daran dürfte sich so bald nichts ändern.
Das sah schon ganz anders aus. Im Sommer 2009 versprachen SPÖ und ÖVP der Opposition für deren Zustimmung zum Bankenrettungspaket die entsprechende Ausweitung der Minderheitenrechte. Die diesbezüglichen Verhandlungen unterlagen allerdings enormen Gemütsschwankungen. Meldungen, wonach eine Einigung unmittelbar bevorstehe, wechselten sich ab mit vorübergehenden Verhandlungsstopps. So wurden die Gespräche im November 2009 ausgesetzt, als die Bundesregierung den Spitzel-Untersuchungsausschuss zudrehte und die Opposition mit Sondersitzung und Zweidrittelblockade reagierte. Das endgültige Aus der Gespräche kam im März 2011. Seither ging nichts weiter.
Das soll sich nun ändern. Am Freitag konstituiert sich eine neue Arbeitsgruppe, die eine Reform der Geschäftsordnung des Nationalrats erarbeiten soll. Neben der Verkleinerung des Parlaments um zehn Prozent steht auch der U-Ausschuss als Minderheitenrecht auf der Tagesordnung. An eine baldige diesbezügliche Einigung glaubt allerdings niemand.
Das sei "derzeit nicht vorstellbar", hört man etwa aus dem Umfeld des ÖVP-Klubs. Dazu sei das Klima zwischen Regierung und Opposition momentan viel zu schlecht.
Im SPÖ-Klub sieht man vor allem inhaltliche Stolpersteine. Zwar sei die Reform im Grundsatz "immer unbestritten", es könne aber "nicht sein, dass alles im U-Ausschuss zum Minderheitenrecht wird". Ungeklärt ist auch die Frage des Vorsitzes, der Streitschlichtung und der Rechte der Auskunftspersonen.
"Der ÖAAB und andere Stahlhelme"
Auch in der Opposition macht man sich keine Illusionen, bald als Minderheit Untersuchungsausschüsse einsetzen zu können. Die ÖVP blockiere sowohl den Korruptions-U-Ausschuss als auch "alle vernünftigen Reformen", sagt Grün-Mandatar Peter Pilz. Er ortet einen internen Kampf in der Volkspartei "zwischen Altpartei und reformbereiten Kräften - und ich befürchte, dass sich der ÖAAB und andere Stahlhelme durchsetzen werden".
Auch BZÖ-Ausschussmitglied Stefan Petzner hält einen U-Ausschuss als Minderheitenrecht für "Wunschdenken". Die diesbezüglichen Chancen seien sogar noch gesunken, seit SPÖ und ÖVP im Zuge des aktuellen U-Ausschusses erkannt hätten, dass ein solcher "schmerzlich sein kann".
Skeptisch ist auch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, nicht nur bezüglich der U-Ausschüsse, sondern auch im Hinblick auf andere rot-schwarze Versprechen. Er habe den "Eindruck, dass das angekündigte Transparenzpaket von Rot und Schwarz so lange verschoben wird, bis sich niemand mehr daran erinnern wird können".
Tatsächlich gibt es eine schriftliche Vereinbarung aller Parteien - unterschrieben von den Klubobleuten -, Untersuchungsausschüsse zu Minderheitsrecht zu machen. Dass dies bis jetzt nicht passiert ist, kreidet die Opposition der Regierung als Wortbruch an. "Das können wir uns nicht mehr bieten lassen", sagt Pilz und kündigt an, dass der Sondersitzung vom Dienstag noch weitere folgen werden. Doch damit sei man erst "auf einer unteren Eskalationsstufe". Ein Volksbegehren werde gerade vorbereitet, so Pilz. Im Raum steht zudem eine erneute Blockade von Zweidrittelmaterien und "wesentlich härtere Mittel", auf die Pilz auf Nachfrage am Dienstag jedoch "noch nicht" näher eingehen wollte.
Auf Gespräche setzt hingegen Stefan Petzner. "Ich bin kein Freund der Eskalation", sagt er zur "Wiener Zeitung". Die Sondersitzung sei "ein Schuss vor den Bug", der die Regierung hoffentlich dazu bewege, "einen gemeinsamen Weg zu finden". Die Chance dafür gibt es ab Freitag in der neuen Arbeitsgruppe.