Analyse: Die Vorschläge von SPÖ und ÖVP zur Reform unter der Lupe.
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Wien. Völlig richtig, die vergangenen Untersuchungsausschüsse hatten immer ein wenig Tribunalcharakter. Vor allem dann, wenn profilierungsgewillte Oppositionspolitiker verschüchterte Auskunftspersonen in die Mangel nahmen. Was der U-Ausschuss darf und was nicht, ist derzeit oft eine Frage der Interpretation - die gültige Verfahrensordnung ist gerade einmal 17 Seiten lang, Unklarheiten über die Auslegung bedeuteten im Herbst 2012 den Anfang vom Ende des Korruptionsuntersuchungsausschusses.
SPÖ und ÖVP wollen nach jahrelangen Debatten der Einsetzung des U-Ausschusses als Minderheitsrecht zustimmen - und haben auch gleich ihre Ideen für eine umfassende Reform der Gremien mitgeschickt. In einigen Punkten wird es aber wohl noch Diskussionsbedarf geben, wie eine Detailanalyse zeigt.
Zum Beispiel ist es sicherlich eine gute Idee, die Anzahl der parallel stattfindenden U-Ausschüsse zu beschränken, da die Infrastruktur des Parlaments (Räume, Parlamentsbedienstete, Kopiervorrichtungen), aber auch jene der aktenliefernden Institutionen (Ministerien und Behörden) durch U-Ausschüsse in der Regel massiv belastet wird. Das wurde besonders deutlich, als 2006/2007 Banken- und Eurofighter-U-Ausschuss gleichzeitig liefen. Auch gleich die Maximaldauer auf höchstens zwölf Monate zu beschränken, wie es SPÖ und ÖVP fordern, scheint mit Blick auf die Geschichte aber unnötig - hat doch die Mehrzahl der bisherigen U-Ausschüsse weniger als zwölf Monate oder nur knapp länger gedauert. Auskunftspersonen, die von einem baldigen Ende des Ausschusses wissen, neigen außerdem dazu, ihr Erscheinen hinauszuzögern, bis sie gar nicht mehr vorbeikommen müssen.
Vor dem Hintergrund einer möglichst sachlichen und ernst gemeinten Aufklärung sind auch zwei weitere Vorschläge fehl am Platz: Die SPÖ will "im U-Ausschuss-Thema befangene Abgeordnete" aus dem Gremium ausschließen. Legt man das auf den letzten U-Ausschuss um, ergäbe das folgendes Bild: Telekom-Sprecher wie Gabriela Moser von den Grünen oder Gerhard Deimek von der FPÖ wären nicht Teil des U-Ausschusses gewesen. Demgegenüber hätte sich dann der von den Journalisten ironisch als "ÖVP-Gap" bezeichnete Fragestil durchgesetzt: Aus Mangel an Akten- und Sachkenntnis wenige, themenferne Fragen zu stellen.
Opposition beschneiden?
Die ÖVP will zwar nicht bestimmte Abgeordnete fernhalten, aber "nur" die Fragezeit nach dem Vorbild der Plenarsitzungen nach Parteigröße staffeln. Erstens gab es zumindest beim letzten U-Ausschuss eine gut funktionierende und im Einvernehmen aller Parteien festgelegte Fragezeit-Beschränkung, die für alle die gleiche Dauer vorsah. Zweitens wehrt sich die Opposition zu Recht gegen eine Ungleichverteilung der Redezeit auf Basis der Mandatsverteilung: Der U-Ausschuss ist als schärfstes parlamentarisches Kontrollgremium in erster Linie ein Werkzeug der Opposition.
Das verbale Ausritte vermieden werden und die Zeugen besser behandelt werden müssen, liegt allerdings auf der Hand. Sehr sinnvoll erscheint daher der Wunsch von SPÖ und ÖVP, die Rechte des Verfahrensanwalts zu stärken. Schon bisher hatte dieser den Vorsitzenden auf einen Eingriff in die Grund- und Persönlichkeitsrechte einer Auskunftsperson hinzuweisen und konnte von den Zeugen auch zu Hilfe gerufen werden. Ihn auch mit eigenständigen Durchgriffsrechten auszustatten, ist sicherlich sinnvoll.
Verfahrensanwalt und Richter?
Redundant erscheint es dann aber, einen Richter als Vorsitzenden zu installieren. In einigen Bundesländern (Wien, Salzburg, Tirol, Burgenland) ist das gängige Praxis. SPÖ und ÖVP müssen sich hier ebenso einigen wie in der Frage, wer als Schiedsinstanz fungieren kann - nur der Verfassungsgerichtshof oder zusätzlich ein vorgelagerter "Weisenrat"? VfGH-Präsident Gerhart Holzinger will die Experten seines Hauses für Grundsatzfragen zur Verfügung stellen, allerdings "nicht bei jeder kleinen Streiterei".
Auf Unverständnis vor allem bei der FPÖ ist schließlich auch die Idee von SPÖ und ÖVP gestoßen, die Immunität der Abgeordneten in gewissen Bereichen einzuschränken, um den guten Ton im U-Ausschuss sicherzustellen. Das dürfte allerdings gar nicht so kompliziert sein, wie es klingt: In Deutschland sind etwa Verleumdungen im Plenum nicht von der Immunität umfasst, sagt der Geschäftsordnungsexperte und Ex-ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz. "Man müsste das aber in der Verfassung regeln." Und dazu braucht es die Zustimmung mindestens einer der beiden größeren Oppositionsparteien. Und die werden nur dann mitgehen, wenn der U-Ausschuss ein echtes Minderheitsrecht wird - dazu wird man einige der skurrilen Ideen wieder einmotten müssen.