Der öffentliche Verkehr in Wien profitiert davon, dass konsequent die U-Bahn ausgebaut und gleichzeitig das große Straßenbahnnetz beibehalten wurde.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Replik auf den Gastkommentar von Harald Frey vom 27. September 2013 ("Zerstörung und Rettung unserer Städte durch öffentlichen Verkehr")
Der Gastkommentar von Harald Frey steht doch in einigem Kontrast zur Wirklichkeit. Wien liegt seit Jahren weltweit im Spitzenfeld in der Lebensqualität; damit verbunden hat die Bundeshauptstadt einen im europäischen Vergleich hohen Anteil des öffentlichen Verkehrs von 40 Prozent und einen entsprechend niedrigen Anteil des Autoverkehrs von 27 Prozent, der in allen vergleichbaren Städten Europas deutlich höher liegt.
Die Erfolgsstory des öffentlichen Verkehrs in Wien gründet darauf, dass Wien konsequent die U-Bahn ausgebaut und gleichzeitig eines der größten Straßenbahnnetze der Welt beibehalten hat. Entscheidend für den Erfolg der Öffis in Wien ist die hohe Leistungsfähigkeit der U-Bahn. Die U-Bahn befördert große Verkehrsmengen, ist deutlich schneller und vor allem nicht beeinträchtigt vom täglichen Stau auf den Straßen. Der angesprochene Vorteil der Straßenbahn, den Stadtraum wahrnehmen zu können, mag zwar auf Einzelne zutreffen, aber für die Mobilitätsbedürfnisse im Alltag einer Millionenstadt ist die schnelle und staufreie Fahrt entscheidend.
Der Erfolg der U-Bahn ist bei allen U-Bahn-Verlängerungen sichtbar geworden. Zuletzt im 22. Bezirk, wo nach Fertigstellung der U2-Verlängerung der Anteil der Nutzung des öffentlichen Verkehrs durch die Bevölkerung innerhalb nur eines Jahres von 28 Prozent auf 34 Prozent gestiegen ist und die Fahrgastzahlen der Öffis (U-Bahn, Bus und Straßenbahn zusammen) um 20 Prozent zugenommen haben (Quelle: omniphon, Vorher/Nachher-Befragung Donaustadt, 2011) - und dies, obwohl die U2 nur einen Teil des Bezirks erschließt.
U-Bahn und S-Bahn sind nicht, wie Harald Frey meint, die Ergänzung zum Wegenetz, sondern das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in der Hauptstadt. Wien befindet sich derzeit in einer zweiten Gründerzeit, die Einwohnerzahl steigt jährlich um mehr als 20.000 Personen. Gleichzeitig nimmt der Pkw-Besitz nicht mehr zu, die Parkraumbewirtschaftung wird ausgeweitet, und günstigere Tarife der Wiener Linien bewirken, dass die Auslastung der Linien stark gestiegen ist, in Einzelbereichen durchaus an die Kapazitätsgrenze.
Damit der Erfolg des öffentlichen Verkehrs in Wien fortgesetzt werden kann und nicht dem eigenen Erfolg zum Opfer fällt - sinkende Attraktivität durch Überlastung -, sind Investitionen sowohl in die Straßenbahn als auch in die U-Bahn notwendig. U-Bahn oder Straßenbahn zur jeweils einzigen Lösung für Wien zu erklären, macht keinen Sinn.
Die Vor- und Nachteile der Systeme U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn müssen an ihrem konkreten Beitrag zur Lösung der Probleme gemessen werden. Wie die bisherigen Planungen zeigen, schneidet dabei ein maßvoller weiterer U-Bahn-Ausbau zusammen mit der Attraktivierung der S-Bahn und mehreren Straßenbahnprojekten am besten ab. Die Einstellung von Straßenbahnlinien ist in den heutigen Planungen nicht vorgesehen.