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Über allen EU-Gipfeln ist Ruh? Die Eurokrise lässt sich nicht aussitzen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Farblos, unaufgeregt, um nicht zu sagen, fad: Die Vorbereitung dieses Gipfels trägt klar die Handschrift des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Was wie eine Schmähung klingt, kann als Kompliment verstanden werden. Denn diese Art des Einlullens ist angesichts der Kakophonie unter den EU-Regierungschefs ein schwer zu übertreffendes Kunststück.


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Nachdem die Devise "Think big" bei den Krisenmaßnahmen nicht wirklich durchschlagende Erfolge gebracht hat, sind die Euro-Lenker zum Gegenteil übergegangen: Probleme werden kleingeredet, die Hysterie der Finanzmärkte tunlichst ignoriert. Nun wäre ruhiges und gezieltes Agieren eine durchaus erfolgversprechende Variante - wenn dabei klar wäre, wohin die Reise geht. Das ist es aber nicht. Und die Probleme sind auch noch nicht gelöst. Alle bisherigen Schritte gegen die Krise waren Akutmaßnahmen, die Symptome bekämpft haben, aber nicht die tiefer liegenden Ursachen angegangen sind - nämlich das Auseinanderdriften der Eurozonen-Länder und die unvollständige wirtschaftliche und fiskalische Integration der Währungsgemeinschaft.

Konstruktive Vorschläge, wie die Krise tatsächlich gelöst werden könnte - etwa die Euro-Anleihen-Idee des Luxemburgischen Premiers Jean-Claude Juncker -, hat Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble schon vor dem Gipfel weggewischt: Es sollten nicht ständig neue Ideen auf den Tisch gelegt werden. Das Problem: Jetzt liegen gar keine mehr darauf. Die Vorschläge dessen, was sinnvoll wäre und politisch realisierbar ist, scheinen erschöpft.

Wenn es (wie von der Politik suggeriert) tatsächlich massive Spekulationen gegen den Euro gibt und die Probleme nicht nur die simple Flucht aus dem Risiko waren, dann wäre das ein gefundenes Fressen für die Hochrisiko-Spieler: Sie könnten nun ihre Einsätze gegen die Eurozone in die Höhe jagen und zumindest Portugal, womöglich auch Spanien unter den Rettungsschirm und die Eurozone in die Enge treiben.

Wird es funktionieren, durch Kalmieren und Beschwichtigen die Märkte ruhigzustellen? Nein. Spätestens im ersten Quartal 2011 müssen einige der Euro-Problemländer auf den Finanzmärkten größere Summen an Neuschulden aufnehmen, um ihre Haushaltsdefizite zu finanzieren. Die Risikoaufschläge und Zinskonditionen sind jetzt schon in einigen Fällen so prohibitiv, dass an eine nachhaltige Finanzierung der Haushalte nicht zu denken ist und die staatlichen Schulden in immer kürzeren Zeitabständen umgewälzt werden müssen.

Die Einigung auf den permanenten Krisenmechanismus nach 2013 alleine wird ebenfalls nicht reichen. Auf Zeit zu spielen klappt nicht, solange noch etliche Horrormeldungen über unerreichbare Wachstums- oder Budgetziele oder Ratingabwertungen auftauchen und neuerlich Panik entfachen können.

Siehe auch:Die Ruhe nach dem Euro-Sturm