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Wenn es um Vergleiche geht, sollten keineswegs die beiden betitelnden heimischen Viktualien verglichen und addiert werden, dies ist seit jeher bekannt. Umso verwunderlicher scheint es, dass in der vergangenen Zeit, speziell auch als Wahlkampfthema unser Einkommensteuersystem oft mit jenen unserer europäischen Nachbarn zu Vergleichen herangezogen wurde.
Zwar stimmt die Behauptung nicht, dass unterschiedliche Abgabensysteme generell nicht gegenübergestellt werden können, um einen seriösen Vergleich jedoch darzustellen, bedarf es wesentlich mehr Informationen und faire Rahmenbedingungen. Generell könnte bei den beobachteten Debatten über die Höhe unserer Steuerbelastungen der falsche Eindruck entstehen, das Einkommensteuergesetz bestünde lediglich aus einer Tariftabelle. Weiter würde Österreich unumstritten mit seinem Höchststeuersatz von 50% zusammen mit Ländern wie den Niederlanden und Spanien mit immerhin 52% zu den europäischen Spitzenreitern im direkten Vergleich zählen. Zuletzt wurden noch die mittleren "Steuerstufen" von 36,5% für die finanzielle Mittelschicht sowie 43,21% für die etwas besser verdienende Mitte kritisiert. Ein rundes Drittel an Steuerabgaben bis hin zur Hälfte seien zu hoch um sich nachhaltig Vermögen schaffen zu können. Ein Beispiel sollte man sich an unseren Nachbarländern wie Deutschland mit dem Spitzensteuersatz von 42% bzw. 45% als "Reichensteuer" oder Italien mit nur 43% nehmen. Auch und gerade an diesem Punkt werden Äpfel mit Birnen summiert und verglichen.
Dabei sind Steuergesetze weit komplexer und umfangreicher, als dass nur zwei isoliert betrachtete Zahlen als Höchststeuersätze verwendet werden könnten. So gibt es, anders als in Italien einen steuerfreien Grundsockel bis zu 11.000 Euro Jahreseinkommen. Erst ab diesem Betrag möchte die Finanz ihren Anteil, jedoch lediglich für jenen Anteil, welcher dieses freie Grundeinkommen übersteigt. Unsere südlichen Nachbarn müssen auch unterhalb dieser Grenze bereits 23% abgeben. In folgender Veranschaulichung werden Sozialversicherungsbeiträge außer Acht gelassen, um nicht den Äpfel und Birnen noch Jungzwiebel und Lauch zuzufügen. So ist der Steueranteil bei verdienten 15.000 Euro lediglich 1.460 Euro. Dies entspricht weniger als 10%. Geht man vom österreichischen Durchschnittseinkommen für unselbständig Erwerbstätige im Jahr 2011 aus (Quelle: Statistik Austria), so wäre die Ausgangslage 25.900 Euro nach Abzug der SV. Ein Netto von etwa 20.390 beweist eine Steuerabgabe von etwas weniger als 22%. Da in Italien kein steuerfreies Grundeinkommen existiert, würde der dortige prozentuelle Abzug um mehr als 2,5% über dem österreichischen liegen. In Deutschland, wo das steuerfreie Einkommen lediglich bis 8.130 Euro pro Jahr anerkannt wird, wäre der Nettolohn mit dem österreichischen vergleichbar, wenn man die jeweiligen nationalen Sozialversicherungen zur Anwendung bringt und man vom selben Brutto ausgeht. Jedoch kann unter Umständen durch das dort mögliche Ehegattensplitting ein Steuervorteil von bis zu 3000 Euro pro Jahr entstehen. Ein Nachteil besteht für deutsche Selbständige welche ein Gewerbe betreiben. Für diese Gruppe (immerhin rund zwei Drittel aller Selbständigen) kommt eine Gewerbesteuer von 3,5 % hinzu. Diese gibt es in Österreich nicht.
Was bisher auch nicht berücksichtigt wurde, ist das 13. und 14. Gehalt. Ist dieses in anderen EU-Ländern nicht existent, gibt die heimische Steuer darauf sogar eine Entlastung und sieht nur 6% Steuerabgaben auf diese Sonderzahlung vor. Auf das Jahr umgerechnet würde dies einen effektiven Vorteil von nochmals 3,5 bis 6% bringen.
Was den Höchststeuersatz von 50% betrifft, sei gesagt, dass auch für die Spitzenverdiener das Progressionssystem gilt. Fällt ein Erwerbstätiger mit seinem Einkommen von 61.000 Euro pro Jahr gerade noch unter diesen Höchststeuersatz, so beträgt seine Steuerbelastung etwa 34%. Eine Annäherung an die Hälfte als Abgabe ist erst ab 1.000.000 Euro im Jahr möglich. Nach diesen Vergleichen würde Österreich auf europäischer Ebene im Mittelfeld liegen.
Nun noch zu jenem Punkt, welcher bei sämtlichen Diskussionen kläglich vernachlässigt wurde - die Bemessungsgrundlage. Die Gestaltung des zur Höhe der Steuerbemessung ausschlaggebenden Maßes unterscheidet sich von Land zu Land drastisch. Je höher die Abzugsposten wie Sonderausgaben oder Werbungskosten angesetzt werden können, desto niedriger ist die Basis des zu versteuernden Einkommens. Sind beispielsweise Ausgaben für Wohnraumschaffung, darunter fallen auch Finanzierungskosten, in Österreich unter den Topfsonderausgaben mit maximal 2.920 Euro begrenzt und auch nur mit einem Viertel davon abzugsfähig, lässt das deutsche Steuerrecht mehr Abzug, nämlich bis zu 8.437 Euro, in den ersten Jahren sogar bis zu 10.124 Euro zu. Anstatt über eine Senkung der Steuersätze nachzudenken, und dies schon seit Jahren, könnte als echte Alternative einfach über eine leistungsträgerfreundlichere Gestaltung der Abzugsposten zur Minderung der steuerlichen Bemessung nachgedacht werden. Würde man die Topfsonderausgaben, speziell den Posten für Wohnraumschaffung und Sanierung auf deutsche Verhältnisse anpassen, so wäre dies eine lösungsorientierte Alternative dazu, über eine eventuelle Reglementierung der zu hohen Mietpreise zu debattieren, da der Weg zum unabhängigen Wohnen zumindest aus steuerlicher Sicht erleichtert würde.
Ebenso könnten Kosten einer Gebäudeversicherung als Steuerabzugsposten unter Sonderausgaben beziehungsweise mit etwas Phantasie sogar als Werbungskosten legitimiert werden, könnten man diese doch im Wesentlichen als solche interpretieren. Dies könnte zugleich Anreize für Eigentümer zur Risikoabtretung schaffen.
Zum Abschluss soll noch gesagt sein, dass die Einkommensteuer den Großteil der Staatseinnahmen in Österreich ausmacht. Im Vergleich dazu liegt Österreich zwar im gesunden Mittelfeld, was die Staatseinnahmen durch Personensteuern (in diesem Kontext richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Einkommensteuer) betrifft. Wenn es um die Ausgaben von Staatsgeldern geht, hat Österreich verglichen zu den in diesem Beitrag zum Vergleich herangezogenen Ländern wie Deutschland, Italien, den Niederlanden oder Spanien die Nase vorne (EU-Kommission OECD 2013). Auch ist die Verschuldensrate Österreichs, welche beinahe gleichauf mit jener der Niederlande ist, besser als jene der restlichen hier verwendeten Länder und auch deutlich besser als der EU-Durchschnitt. Steuergelder füllen die Kassen der Republik und stellen finanzielle Mittel bereit, welche uns nationalen Wohlstand schaffen. Ob dieser dann mit dem anderer Länder wiederum direkt zu vergleichen ist, liegt in den Augen des Betrachters.
Stefan Oberhofer ist Wirtschaftsstudent an der Universität Innsbruck