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Über Autorität

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Liz Truss hat sie verloren, Donald Trump besitzt sie noch immer. Und wer verfügt über politische Autorität in Österreich?


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Nach nur 42 Tagen im Amt liegt die Autorität der britischen Premierministerin Liz Truss in Trümmern. Am Montag musste sie die ultimative Demütigung über sich ergehen lassen, dass der von ihr als letzter Rettungsanker geholte neue Finanzminister Jeremy Hunt auch den Rest ihrer Wahlversprechen abräumte. Zuvor hatte sie sich der Sünde schuldig gemacht, mit Ex-Finanzminister Kwasi Kwarteng ihren engsten Weggefährten und Verbündeten im Geiste zu opfern, um selbst politisch zu überleben. Dabei ist das Urteil über ihr eigenes Schicksal wohl längst gesprochen.

Politische Autorität ist nicht gleichbedeutend mit Macht, und beide sind nur indirekt mit offiziellen Ämtern verbunden. Autorität hängt an der Person, die, um andere dazu zu bringen, etwas Bestimmtes zu denken oder tun, nicht zwingend über ein Mandat oder eine Funktion verfügen muss. Vielmehr bestimmen Ansehen, Vertrauen und Erfahrung das Ausmaß, in dem Menschen einem anderen im Handeln und Denken folgen.

Auf dünnem Eis steht dabei, wer sich vorrangig auf die Medien verlässt. Deren Logik ist auf den Reiz des Neuen ausgerichtet. Die durch kurzfristige Erfolge errungene Autorität ist stets prekär. Inszenierungen können helfen, aber nur, wenn sich dahinter auch Substanz versteckt. Der Bau von Potemkinschen Dörfern kann in der Not taktisch geboten sein, doch auf Dauer bringen sie mehr Risiken als Nutzen für ihre Konstrukteure.

Um über politische Autorität zu verfügen, ist ein tadelloser Charakter nicht erforderlich. Über Donald Trump lässt sich unendlich viel Schlechtes behaupten, aber nicht einmal seine ärgsten Gegner würden ihm absprechen, über ein erstaunliches Maß an politischer Autorität auch noch jetzt zu verfügen, wo er ohne Amt und Würden dasteht.

Zurück zu Großbritannien und dem Chaos, das die Insel spätestens seit dem Brexit-Referendum von 2016 fest im Griff hält. Nach den bisherigen Erfahrungen mit diesen Jahren des organisierten Tumults ist es unwahrscheinlich, dass es noch einmal jemandem gelingt, politische Autorität zu entwickeln, der an der Entstehung und am Verlauf des Chaos beteiligt war. Das lässt den neuen Finanzminister Hunt, der seit 2010 diversen Tory-Kabinetten angehört, immerhin mit einer Mini-Chance zurück. Er ist ab sofort die zentrale politische Autorität der britischen Regierung oder was von dieser übrig geblieben ist.

Bevor die Schadenfreude überhandnimmt, möge sich jeder die Namen jener Politikerinnen und Politiker notieren, die in Österreich über eine intakte politische Autorität verfügen.