Seit gestern Nachmittag brüten die Agrarminister über einem schwierigen Thema: Die entscheidenden Verhandlungen über die Zukunft der europäischen Agrarpolitik laufen. Während der zuständige EU-Kommissar Franz Fischler auf Zeitdruck wegen anstehender WTO-Verhandlungen hinweist, bremsen die Franzosen: Nach ihrem Willen sollen bei dem EU-Rat in Luxemburg bloß Eckpunkte festgelegt werden.
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Fischler warnt: Eine Verwässerung seiner Reform würde die Verhandlungsposition Europas bei dem Treffen der Welthandelsorganisation WTO, das im September in Cancun (Mexiko) stattfinden wird, entscheidend schwächen. Die USA, Australien, Brasilien und die OECD kritisieren die EU seit langem wegen ihrer großzügigen Subventionspolitik, die zur Überproduktion führe - die Hälfte des Gemeinschaftsbudgets (42 Mrd. Euro im Jahr 2001) fließt in die Landwirtschaft.
Selbst bei Verwirklichung des Fischler-Planes würden die Europäer in Cancun einen schweren Stand haben, meinen Experten. Der Entwurf sieht vor, die milliardenschweren Prämien an die Bauern von der Produktion abzukoppeln und stattdessen mehr Geld für den Landschaftsschutz aufzuwenden. Gegen die sogenannte "Totalentkoppelung" wehrt sich aber ein Großteil der Mitgliedsländer, darunter auch Österreich. Die stärksten Vorbehalte hat Frankreich, wo die Bauern bereits wiederholt gegen die Reform des österreichischen Kommissars auf die Straße gingen. Das erstaunt nicht - in Frankreich sind die landwirtschaftlichen Betriebe nämlich überdurchschnittlich groß. Mehr als 30 Prozent haben mehr als 50 ha, im europäischen Durchschnitt sind es nur neun Prozent.
Und die großen Betriebe sind es, die vom herkömmlichen System am meisten profitieren. 20 Prozent der Bauern kassieren 80 Prozent der Gelder, formulierte es Global 2000-Agrarexpertin Iris Strutzmann anlässlich einer Protestkundgebung ihrer Organisation in Luxemburg. An der Orientierung auf die umweltfeindliche intensive Landwirtschaft würde sich auch mit Fischlers Plänen nichts ändern, meint sie.
Unterstützung bekam Frankreichs Präsident Jacques Chirac am Montag: Bei einem Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder einigten sich beide auf eine "Teilentkoppelung" ab 2006 - Fischler "Gemeinsame Agrarpolitik" (GAP) sollte schon ab 2004 zu greifen beginnen. Schröder fiel damit auch seiner Minister Renate Künast (Grüne) in den Rücken, die die Grundzüge von Fischlers Reform stets begrüßt hat. Ob die deutsch-französische Achse allerdings zum gewünschten Konsens führen wird, ist fraglich. Fischler hat angekündigt, für "faule Kompromisse" stehe er nicht zur Verfügung.
Die "Stunde der Entscheidung", die Fischler beim Agrarrat gekommen sieht, will Frankreichs Agrarminister Hervé Gaymard indes hinaus zögern. In Luxemburg sei nur eine "technische Lösung" zu erwarten. Nur die Eckpunkte der Reform sollten festgelegt, die Details zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Dem Druck eines Zeitplans gebe er nicht nach. Eine Marathonsitzung bis Freitag abend ist jedenfalls zu erwarten.