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Über den Tellerrand des Luxus

Von Christoph Irrgeher

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Man kann den Hut nicht tief genug ziehen. Seit 1975 hat José Antonio Abreu in Venezuela ein Musikschulwerk aufgebaut, das bitterarme Kinder und Jugendliche der Trostlosigkeit enthebt: In Chören und Orchestern unterrichtet, gewinnen sie eine Lebensperspektive abseits von Bandenkriminalität. Mehr als zwei Millionen Schüler hat El Sistema, so heißt Abreus Projekt, bisher ausgebildet.

Nun erhält es den höchsten Ritterschlag, der nach künstlerischem Maßstab möglich ist: Salzburg-Intendant Alexander Pereira hat El Sistema eingeladen - und zwar in Bausch und Bogen: 1300 Jungvenezolaner musizieren seit Mittwoch (siehe Kritik) in etlichen Formationen, samt Kinderorchester der 8- bis 13-Jährigen.

Nun ist es eine Sache, sich mit diesen Musikern über ihren Welterfolg zu freuen. Eine andere aber ist, eine heikle Frage zu stellen: Passen diese 14 Konzerte qualitativ auf den Olymp der Klassikwelt? Gewiss: Wer so fragt, macht sich verdächtig. Als Spielverderber, Chauvinist. Und doch: Es wird auch mancher Hörer darüber nachdenken, zumindest im Stillen. Denn: Wenn El Sistema neben den weltbesten Künstlern musiziert, wird es, Segen und Fluch!, auch an diesen gemessen.

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich freue mich trotzdem auf El Sistema. Es ist nur problematisch, dass da - auch von der Intendanz geschürte - Erwartungen im Raum stehen, die Jugendorchester nur selten einlösen können. Nichtsdestotrotz denke ich, dass El Sistema zu Salzburg passt - und zwar als einmaliges, menschliches Projekt. Auch im Dienst an einem Publikum, das über den Tellerrand der Luxuswelt hinausblicken will.