Legate-Fundraising zwischen Pietät und Spendenwerbung. | Testament-Ratgeber und Infoabende mit Rechtsanwälten. | Wien. Im Vermächtnis mit einer Spende bedacht zu werden, ohne in den Ruf eines Erbschleichers zu kommen - vor dieser heiklen Aufgabe stehen gemeinnützige Organisationen. "Noch nie wurde ein so hohes Vermögen vererbt wie jetzt", sagt Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbandes Austria. In westlichen Ländern zeige sich ein Trend, dass Vermögen oder Teile davon an gemeinnützige Organisationen vererbt werden.
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Potenzial gibt es aber auf jeden Fall: Millionen Euro aus Verlassenschaften fallen jedes Jahr an den Staat, weil es keine Erben gibt. Zudem macht längst nicht jeder Österreicher ein Testament. 1,9 Millionen Testamente waren per Ende September bei der Notariatskammer hinterlegt. Es gebe keine heimische Organisation, die keine Verlassenschaften erhalte, so Lutschinger. Wie viel in Österreich an gemeinnützige Organisationen vererbt wird, wird aber nicht erhoben.
"Wollen nicht überreden"
Legate-Fundraising ist eine Gratwanderung zwischen Werbung um Spenden und Pietät. Schließlich werden die potenziellen Spender dazu aufgefordert, sich mit ihrem eigenen Tod zu beschäftigen. "In Österreich ist das ein heikles Thema, weil der Tod stark tabuisiert ist", sagt Lutschinger. Es gehe nicht darum, den gesetzlichen Erben ihren Anteil streitig zu machen.
Mit einem Fernsehspot wirbt der Schweizer Verein My Happy End, ein Zusammenschluss von zehn Organisationen von Amnesty International bis zu SOS Kinderdorf, dafür, "in bester Erinnerung zu bleiben" und im Testament gemeinnützige Organisationen zu berücksichtigen. Gemeinsam mit einer Internetseite bildet der Spot das Herz einer Kampagne, um die Öffentlichkeit zum Thema Nachlass zu sensibilisieren.
In Österreich gehen die Organisationen zaghafter an das Thema heran. "Wir wollen potenzielle Spender nicht aggressiv umwerben oder überreden", betont Gabriela Sonnleitner, Leiterin der Kommunikation bei Caritas Österreich. Viele Spender wenden sich von sich aus an die Organisation, der sie in ihrem Testament Geld vermachen wollen. Daher haben viele eine eigene Ansprechstelle für Testamentsspenden eingerichtet.
Die meisten Organisationen beschränken sich darauf, persönliche Beratung zu Testamentsspenden, Informationen auf der Webseite und Ratgeber anzubieten. Diese Broschüren - mit Titel wie "Mein letzter Wille" von Greenpeace bis hin zu "Schenken Sie Zukunft - mit einem Vermächtnis" von Ärzte ohne Grenzen - werben nicht direkt um Spenden, sondern geben Tipps zu Testament und gesetzlicher Erbfolge. "Vielen ist unklar, wie man ein Testament macht. Deshalb ist es uns wichtig, mit unserem Ratgeber und auf Infoabenden umfassend zu informieren", sagt Greenpeace-Spendenbetreuerin Heidrun Gröblinger. "So ist es zum Beispiel sehr wichtig, keine Formfehler zu machen, damit das Testament gültig ist. Wichtig ist vor allem auch, das Testament im allgemeinen Testamentsregister verzeichnen zu lassen, damit es nicht verloren geht", informiert die Umweltschutzorganisation auf ihrer Webseite.
"Der Spendenanteil aus Erbschaften ist aber ein winziger Teil und fällt daher für uns finanziell nicht ins Gewicht", sagt Gröblinger. 46.000 Euro hat Greenpeace im Vorjahr aus Verlassenschaften erhalten, wie aus dem Jahresrückblick 2009 hervorgeht. Diese Summe entspricht 0,5 Prozent der Erträge.
Bei Ärzte ohne Grenzen kamen laut dem Finanzbericht 2009 sieben Prozent der Erträge, insgesamt mehr als 900.000 Euro, aus Erbschaften. "In unserem Fokus stehen die Information über unsere Arbeit und wie die Spenden verwendet werden", sagt Katrin Kopfensteiner, zuständig für Erbschaften bei Ärzte ohne Grenzen. "Wir ersetzen aber keine Rechtsberatung", betont Kopfensteiner. Die medizinische Nothilfeorganisation veranstaltet auch Infoabende mit einem Notar.
Direktansprache verstört
Bei Erbschaftsfundraising sei Zurückhaltung der Weg zum Erfolg, so Lutschinger. Nicht gut komme eine direkte Ansprache per Post an - viele Menschen reagieren darauf verärgert oder verstört. Besser ankommen würden hingegen Testimonials, die erklären, warum sie gemeinnützige Organisationen in ihrem Testament berücksichtigen.
Wem kommen die Spenden zugute? Bei der Caritas kann der Spender das Geld einem Zweck widmen: So werden Fonds für bestimmte Projekte gegründet, etwa ein Schule in Äthiopien oder ein Stipendiumfonds, der es Kindern in Mutter-Kind-Häusern ermöglichen soll, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Bei Ärzte ohne Grenzen sind ebenso wie bei Greenpeace die Spenden hingegen keinem bestimmten Zweck gewidmet, sondern werden für akute Fälle verwendet.
Der persönliche Kontakt ist beim Legate-Fundraising sehr wichtig. "Meist hinterlassen uns jahrelange Spender etwas, die den Wunsch haben, über den Tod hinaus etwas Gutes zu tun", sagt Sonnleitner. Ein Rechtsanwalt betreut die Person, die in ihrem Vermächtnis spenden will. Ein kleinerer Teil der Spender seien Personen ohne Erben.
Da es neben jahrelangen Spendern auch Vermächtnisse von Personen gibt, mit denen die Organisation vorher keinen Kontakt hatte, setzt Greenpeace den Spendern ein Andenken, erzählt Gröblinger: Jeder Spender, der der Organisation Geld hinterlässt, bekommt ein Blatt mit seinem Namen auf einem Holzbaum, der an der Wand im Greenpeace-Büro hängt.