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Hält der demoskopische Trend an, dann verliert Angela Merkels Union ihren Koalitionspartner demnächst in Niedersachsen und im Herbst im Bundestag.
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FDP-Chef Philip Rösler ließ es jüngst beim Dreikönigstreffen bei Appellen an seine zerstrittenen Liberalen bewenden: Einheit, Geschlossenheit und Kampf für mehr Freiheit statt mehr Staat. Das Damoklesschwert baumelt aber weiter über der Partei: Schon bei den Landtagswahlen am 20. Jänner in Niedersachsen geht es um die Existenz der FDP, daher auch um die CDU-FDP-Koalition in Niedersachsen und dann um Angela Merkels Koalition bei den Bundestagswahlen im September. Wie jetzt in Niedersachsen grundelt die FDP in Umfragen seit fast zwei Jahren mit rund 4 Prozent unter der 5-Prozent-Hürde. Bleibt es am Wahltag dabei, dann regiert Rot-Grün in Hannover und gewinnt die Mehrheit im starken Bundesrat.
Die Probleme der FDP begannen mit der Finanzkrise. Die Kanzlerin zog das Krisenmanagement so resolut an sich, dass Außenminister Guido Westerwelle in ihrem Schlagschatten verschwand und in seiner FDP den Vorwurf der Führungsschwäche einfing. Einem "Aufstand" kam er im Mai 2011 durch die Übergabe der FDP-Führung an Rösler zuvor. Mit dem neuen Parteichef geriet aber FDP-Generalsekretär Christian Lindner übers Kreuz. Lindner warf den Job hin, zog sich in seine Heimat Nordrhein-Westfalen zurück und brachte dort die FDP aus dem Umfragetief von 2 Prozent auf knapp 9 Prozent bei den Landtagswahlen im Mai. Eine Woche zuvor hatte der scharfzüngige Parteirebell Wolfgang Kubicki bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein den befürchteten Absturz der FDP in eine Notlandung verwandelt: Rückschlag von 15 auf knapp 9 Prozent.
Rösler braucht in Niedersachsen eine Notlandung. Aber Kubicki bläst kräftig Abwind, indem er Rösler Führungsschwäche und mangelndes Krisenmanagement ankreidet. Mit Argusaugen beobachtet Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den Sinkflug der FDP, denn eine Woche vor der Bundestagswahl steht in Bayern die Landtagswahl an. Vor fünf Jahren stürzte die CSU von 60 auf das Rekordtief von 43 Prozent ab, während die FDP überraschend
8 Prozent schaffte. Seehofer musste sie also widerwillig als Mehrheitsbeschaffer engagieren. Mittlerweile hat sich die CSU in Umfragen auf 48 Prozent erholt, was für die Mehrheit der Sitze im Landtag reichen würde - ohne FDP.
Bundeskanzlerin Merkel braucht im Herbst einen Koalitionspartner. Nach jüngsten Umfragen käme ihre Union auf 40 Prozent, die SPD auf 30 Prozent, die FDP auf 4 Prozent. Die Grünen liegen bei 13 Prozent. Schwarz-Grün würde reichen, Rot-Grün aber nur, wenn die Linke mit 7 Prozent ins Boot käme. Doch mit der Linken will die SPD ebenso wenig wie die Grünen mit der Union. Aus diesem Dilemma hilft auch nicht der Popularitätstest. Gäbe es eine Direktwahl des Kanzlers, dann gewänne Merkel mit 57 zu 28 Punkten gegen den SPD-Kandidaten Peer Steinbrück. An Ehrlichkeit liegt sie mit 48 zu 27 vorne, an Vertrauenswürdigkeit mit 36 zu 18. Aber woher soll die FDP jene 10 Prozent nehmen, die Merkels Koalition im Herbst retten? Hält der Trend an, dann bliebe nur eine schwarz-rote Koalition übrig. In jüngsten Umfragen wünschen sich das 54 Prozent. Triste Aussichten also für die FDP.