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Was die FPÖ zusammenhält: ein Gespräch mit Generalsekretär Herbert Kickl.
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Ob die Freiheitlichen das Land mitregieren können oder sollen, ja, ob sie überhaupt dürfen sollen: Diese Frage polarisiert die Republik wie kaum eine andere. Jörg Haider hat aus der 5-Prozent-Partei ab 1986 eine Protestpartei neuen Typs geformt, die auf der wachsenden Unzufriedenheit und Verunsicherung aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen surft. Dabei setzte er auch auf Tabubrüche wie NS-Anspielungen und Antisemitismus. Haider positionierte die FPÖ als Anti-Systempartei gegen Rot-Schwarz und "Österreich zuerst"-Bewegung. Heinz-Christian Strache baut seit 2005 als Parteichef auf diesen Fundamenten weiter auf und passte sie an die Themenlage des 21. Jahrhunderts an: Migration und Islamismus.
Was aber ist der Kern, der diese FPÖ zusammenhält? Gibt es so einen überhaupt angesichts der häufigen blauen Spaltungen? "Also wenn ich mir die anderen Parteien ansehe, dann ist die FPÖ die weitaus stabilste", pariert Generalsekretär Herbert Kickl. "Die Grünen spalten sich, in der SPÖ Wien tobt ein Flügelkampf und die ÖVP versucht, als türkise Bewegung ihre letzte Chance zu nutzen." Und die Implosion der Partei zu Zeiten von Schwarz-Blau? Der Fehler sei gewesen, so Kickl, dass mit Haider der eigentliche Chef der Partei nicht an der Spitze des Regierungsteams stand. "Diesen Fehler werden wir nie wieder machen."
Und der blaue Kern? Das sei, findet der Mastermind, leichter gefragt als beantwortet. Im Grunde genommen sage bereits der Name alles: "Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung kombiniert mit Verantwortung." Und natürlich die Zusatzbezeichnung als "soziale Heimatpartei". Heimat sei dabei umfassend zu verstehen, "als jener Ort, an dem man sich nicht erklären muss". Und "sozial"? Das bedeute für die FPÖ nicht Klassenkampf, sondern eine Politik für jene, die vom rot-schwarzen System benachteiligt und ausgeschlossen würden.
Da ist sie, die Anti-Systempartei. Aber was bedeutet das bei einer Regierungsbeteiligung? Ist die FPÖ eine revolutionäre Kraft? Kickl: "Der Begriff ‚revolutionär‘ gefällt mir nicht, weil damit besondere Bilder aus der Geschichte abgerufen werden. Die FPÖ ist eine systemverändernde, evolutionäre Kraft."
Fühlt sich die FPÖ überhaupt als Teil der Zweiten Republik? Nur eingeschränkt. Man müsse hier, so Kickl, die verschiedenen Phasen unterscheiden: "Das Zusammenrücken von ÖVP und SPÖ als Antwort auf das Scheitern der Ersten Republik und den Weltkrieg war unbedingt notwendig, um Stabilität zu schaffen." Doch im weiteren Verlauf der Republik sei diese Stabilität selbst zu einem Hemmschuh geworden. Deshalb sei die FPÖ überall dort kritisch, wo "hinter der parlamentarischen Fassade ein rot-schwarzes System die Fäden zieht".
Was will die FPÖ von der Zweiten Republik bewahren, was verändern: die repräsentative Demokratie, die Rollenteilung zwischen Kanzler und Bundespräsident, die Sozialpartnerschaft? Das grenze jetzt an ein Verfassungsseminar, findet Kickl, um dann doch grundsätzlich zu werden: "Nichts Irdisches, und Politik zählt dazu, ist unveränderbar. Was Sie aufgezählt haben, sind Techniken und Verfahren, um Probleme zu lösen. Entscheidend ist, ob sie das auch tatsächlich bewirken können." Konkreter wird Kickl bei der direkten Demokratie: "Ich wünsche mir eine stärkere Einbindung der Bürger." Die sei ein notwendiges Korrektiv im Sinne einer lebendigeren Demokratie. So sollten die Bürger etwa über eine Föderalismusreform abstimmen. Unbedingt festhalten will die FPÖ an der "großartigen Idee der Neutralität".
Europa ist für die Kritiker der Blauen ein neuralgischer Punkt. Tatsächlich ist für die meisten Parteien die EU-Integration im nationalen Interesse. Nur die FPÖ will das nicht so eindeutig laut sagen. Rütteln die Blauen wirklich an der EU-Mitgliedschaft? "Die ist einfach eine Tatsache", sieht das Kickl nüchtern. Man reibe sich an der Frage, was ,Integration‘ genau bedeute: "Manche verstehen darunter eine Auflösung Österreichs. Dagegen wehren wir uns. Wenn es um wichtige Kompetenzen geht, müssen die Leute befragt werden, ob sie das wollen." Europa könne derzeit die Menschen nicht mitnehmen, weil es sich für seine Projekte zu wenig Zeit nehme, zu schnell vorangehe. Grundsätzlich aber sei die EU ein "wunderbares Friedensprojekt, und sie wäre noch besser, wenn sie auch ein Freiheitsprojekt würde".
Die Frage ist, was verstehen die Freiheitlichen unter einem ‚europäischen Freiheitsprojekt‘? In erster Linie die Freiheit der Nationen, auch Nein zu sagen. Kickl: "Ich halte es für fatal, wenn - wie jetzt bei der Verteilung von Flüchtlingen - versucht wird, anderen Staaten einen Willen aufzuzwingen. Das weckt Widerstand." Die EU werde durch ein Recht auf ein Nein vielleicht komplizierter, aber dafür finde sich jeder wieder.
Viel wird derzeit auch über die Krise der westlichen Wertegemeinschaft diskutiert. Die, so sehen es viele, werde von Politikern wie Wladimir Putin, Donald Trump, Viktor Orban oder Jaroslaw Kaczynski untergraben, indem diese den Rechtsstaat aushöhlten. Auf welcher Seite in diesem Konflikt steht die FPÖ? Der FPÖ gefalle nicht alles, was im Namen dieser Politiker geschehe, erklärt Kickl. Für ihn bestehe jedoch die größte Bedrohung der westlichen Werte in der rasant fortschreitenden Islamisierung Europas. Und in diesem Kampf seien die Genannten Vorkämpfer und wichtige Verbündete.
Der härteste Vorwurf gegen die FPÖ lautet, sie ziehe bis heute keinen klaren Trennstrich zu Rechtsextremen. Tatsächlich werden in unregelmäßigen Abständen Personen aus dem freiheitlichen Umfeld einschlägig auffällig. Warum ist das so?
"Wir können in die Menschen nicht hineinschauen, aber sobald sich jemand außerhalb der Verfassung bewegt, an NS-Ideologie auch nur anstreift, dann ist der weg, und zwar sofort. Solche Leute wollen wir nicht haben, mehr ist dazu nicht zu sagen." Das sei, so Kickl, angesichts der österreichischen Geschichte unerlässlich. Was Kickl jedoch ärgert, ist der moralisierende Umgang mit diesem Thema, dabei könne man nicht in der Gegenwart für die Vergangenheit moralisch handeln. Und: "Jemanden einen Nazi zu nennen, ist der schlimmste Vorwurf, den man heute einem Menschen oder einer ganzen Partei machen kann. Mich wundert, dass man danach einfach wieder zur Tagesordnung übergeht, wenn man solche Vorwürfe erhebt."
Zur Person
Herbert
Kickl
Geboren 1968 in Villach, seit 2005 Generalsekretär der FPÖ, seit 2006 Abgeordneter zum Nationalrat und stv. Klubobmann.
Bisher erschienen:
Christoph Chorherr über die Grünen, Claudia Gamon über Neos
Maria Maltschnig über die SPÖ
www.wienerzeitung.at/wahlen