Eine Wunschkoalition wäre Türkis-Grün für keine der beiden Parteien. Aber vielleicht müssen diese ungleichen Partner zusammenfinden.
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Jetzt ist es wieder passiert. Nicht mehr aus ganz heiterem Himmel wie 2002, aber doch überraschend: Die Grünen haben auf Bundesebene zum zweiten Mal die Chance auf eine Regierungsbeteiligung, und zwar wieder mit der ÖVP.
Damals attestierte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen einer schwarz-grünen Allianz zwar "Charme", und er hätte sie wohl auch gewagt, aber die Zugeständnisse der Schwarzen waren dann doch zu gering und der Widerstand der Wiener Grünen zu groß.
Und diesmal? Es hat sich doch viel verändert . Im Westen Österreichs koaliert die Volkspartei mit den Grünen, in Oberösterreich arbeiteten sie über Jahre zusammen. Diese Erfahrungen gab es 2002 nicht. Spitzenkandidat Werner Kogler hatte zudem mehrfach erklärt, nach der Wahl "nicht auf der Flucht" sein zu wollen.
Bei der letzten TV-Konfrontation appellierte er auch an die Industrie, sich nicht vor den Grünen zu fürchten. Man müsse im Klimaschutz die Chancen sehen, "gerade für Gewerbe und Industrie", etwa bei den Themen der Photovoltaik, der Gebäudedämmung oder abgasfreien Autos.
Relevant ist auch, wie groß der Mandatsüberhang am Ende bei dieser Variante ist. Am Abend lag Türkis-Grün bei 97 Mandaten, ab 92 ist eine Mehrheit im Nationalrat erreicht. Das könnte für eine stabile Regierung genügen.
Ein Problem stellt allerdings der Bundesrat dar, auch den braucht es für Gesetzesbeschlüsse. Da dürfte eine türkis-grüne Mehrheit erst nach der Wien-Wahl erreichbar sein. Mit einer Mehrheit im Nationalrat könnte man die meisten Beschlüsse zwar per Beharrungsbeschluss durchbringen, es wäre aber mühsam - und wohl auch eine Belastung für die Institution des Bundesrats.
Inhaltlich sind sich Grün und Türkis doch recht fern. In Sachen Klimawandel vielleicht nicht unbedingt, was die Ziele zur CO2-Reduktion betrifft, wohl aber bei den konkreten Maßnahmen. Aber auch bei Themen wie Sozialpolitik und Bildung könnten die Unterschiede kaum größer sein.
Insgesamt dürften die Chancen besser sein als 2002. Auch die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein sprach sich für Sondierungen aus. Sie blieb dennoch skeptisch. Nicht zuletzt, da Kurz mehrfach angekündigt hatte, eine Mitte-Rechts-Koalition anführen zu wollen. Dies, so Hebein, werde sich mit Grün nicht ausgehen.
Dass die Grünen und Kurz einander einmal auch schon näher waren, ist aber auch ein Fakt. Als Kurz Integrationsstaatssekretär war, bekam er sogar Lob aus dem grünen Lager für seinen Beitrag zur Versachlichung der Integrationsdebatte. Doch genau diese ist nun auch einer der Knackpunkte.
Kurz hat seine Linie hier doch merklich verändert. Will er mit den Grünen koalieren, muss er das Kunststück schaffen, eine restriktive Migrationslinie, die er nicht verlassen wird, mit einer wertschätzenden Integrationslinie zu verbinden. Auch ein Faktor: Van der Bellen ist mittlerweile Bundespräsident.