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"Über die Reichen wissen wir nichts"

Von Reinhard Göweil

Politik

Abgeordneter Rossmann fordert: "Nicht nur Armutsbericht, auch Reichtumsbericht notwendig."


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Wien. "Für eine sachliche und faktenbasierte Diskussion und für politische Entscheidungen ist es entscheidend, dass auf entsprechende Daten und Informationen zurückgegriffen werden kann", schreibt Nationalratsabgeordneter Bruno Rossmann, Finanzsprecher der Grünen, dem Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny in einem offenen Brief. Rossmann ist einigermaßen erstaunt über eine Berechnung der Nationalbank über das vorhandene Stiftungsvermögen in Österreich. Die hatte jüngst ergeben, dass 2014 in den heimischen Stiftungen Vermögenswerte in Höhe von 55 Milliarden Euro liegen. Das weicht deutlich von den Zahlen ab, die vom "Verband der Privatstiftungen" geschätzt werden. Der Verband, der die Superreichen Österreichs vertritt, kommt schon für 2011 auf einen Wert von 70 Milliarden Euro.

Das ist doch ein beträchtlicher Unterschied. Des Rätsels Lösung ist die Berechnung der dort geparkten Firmenanteile. Die Nationalbank hat die zum Buchwert in die Berechnung aufgenommen, der Stiftungsverband selbst rechnet mit Marktwerten, also dem tatsächlichen Wert, der bei einer Veräußerung erlöst werden kann.

"Wir brauchen hier volle Transparenz"

Warum die Nationalbank da so vorsichtig ist, wollen die Grünen nun wissen, denn sie rechnet die wirklich Vermögenden ärmer, als sie selbst sagen, dass sie sind. Eine Aufstellung der Arbeiterkammer Oberösterreich hat immerhin ergeben, dass 47 der 250 größten Unternehmen Österreichs entweder zur Gänze oder teilweise von Privatstiftungen kontrolliert werden.

Rossmann fordert daher die Nationalbank auf, eine Vollerhebung aller Stiftungsvermögen durchzuführen und diese auch zu veröffentlichen. "Wir brauchen hier volle Transparenz. Es gibt in Österreich einen Armutsbericht, ich will aber auch einen Reichtumsbericht." Das Argument des grünen Abgeordneten: Wer Mindestsicherung beantragt, muss alles offenlegen. "Über die wirklich Reichen dagegen wissen wir nichts. Das ist eine unerträgliche Blackbox. Aus diesem Grund habe ich dem Gouverneur den Brief geschrieben. Die Nationalbank kann hier für volle Transparenz sorgen."

Sein Hebel dabei ist die Zuständigkeit der Nationalbank (OeNB) für die heimische Finanzmarktstabilität. Denn die Notenbank kommt zwar auf einen geringeren Vermögensstand, aber darin auf sehr viel mehr Immobilienvermögen, als der Stiftungsverband selbst annimmt. 20 der 55 Milliarden stecken laut OeNB in Immobilien, das sind 36 Prozent. Die Lobby der 3220 Privatstiftungen Österreichs kommt dagegen nur auf 24 Prozent - allerdings von einem höheren Wert.

Die Verschiebung in Richtung Immobilienvermögen erhöht das Risiko einer Immobilienblase. Und eine solche war 2007 in den USA Auslöser der danach folgenden globalen Finanzkrise. Die Nationalbank selbst legt bei ihrer Berechnung darauf kein Augenmerk.

Die Stiftungen sind in der Tat statistisch so gut wie unerforscht, was auch das Institut über Verteilungspolitik an der WU Wien kritisiert. In den Berechnungen über die Verteilung des Vermögens in Österreich können die Stiftungen nur grob geschätzt werden. Eine Interpretation lautet daher, dass die Vermögen noch ungleicher verteilt sind, als in den vorliegenden Berechnungen ausgewiesen wird. Demnach entfällt auf die reichsten fünf Prozent der Österreicher etwa die Hälfte des gesamten Vermögens.

Die - im Gegensatz zu anderen Industriestaaten - dürftige Faktenlage wird nun mühsam aufgebaut. Allein, gerade bei den Reichsten gibt es beträchtliche Differenzen wie das aktuelle Beispiel belegt. Ob das Stiftungsvermögen nun 55 Milliarden beträgt oder wenigstens 70 Milliarden - das allein würde die Vermögens-Konzentration noch deutlicher machen.

Seit 1995 hat sich das Stiftungsvermögen in Österreich verzehnfacht, auf Basis der Nationalbank-Zahlen. Interessant dabei ist, dass es seit 2008 von knapp unter 40 auf 55 Milliarden Euro gestiegen ist. Die Stiftungen zählen damit eindeutig zu den Gewinnern der seither anhaltenden Krisen. Für die SPÖ und die Gewerkschaften ist dies die Basis ihrer Forderung nach Vermögenssteuern.

Heimisches Stiftungsrecht wurde 1993 eingeführt

Die Stiftungen tragen zur Stabilität der Wirtschaft bei, kontern deren Verteidiger. Tatsächlich wurde das heimische Stiftungsrecht 1993 unter dem von der SPÖ kommenden Finanzminister Ferdinand Lacina eingeführt. Das Motiv damals war es vor allem, die Zersplitterung von Familienvermögen zu verhindern und damit Unternehmen stabil zu halten. Firmenanteile wurden in Stiftungen eingebracht, dahinterstehende Eigentümerfamilien wurden Begünstigte. Um auch ausländische Vermögen anzulocken, wurden Stiftungen mit Steuererleichterungen ausgestattet. Diese "Zuckerl" wurden in den vergangenen Jahren durch Gesetzesänderungen reduziert.

Aber auch innerhalb der Stiftungswelt gibt es beträchtliche Unterschiede. Die reichsten zehn Prozent der Stiftungen verwalten etwa 80 Prozent aller Unternehmensanteile. Bruno Rossmann will nun von der Nationalbank, dass sie all dies genau unter die Lupe nimmt. "Das ist ja auch in der politischen Debatte hilfreich. Wenn wir über Vermögens- und Erbschaftssteuern diskutieren, ist es auch notwendig, die tatsächliche Vermögenskonzentration schwarz auf weiß belegen zu können."