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Über eine Rechnung für teure Schuhe gestolpert

Von Oliver Junker

Politik

Paris · Letztlich brachte ihn seine Liebe zu feinem Schuhwerk ins Stolpern. Nach tagelangem Zögern und zunehmendem öffentlichen Druck legte Roland Dumas am Dienstagabend sein Amt als | Präsident des französischen Verfassungsrates nieder. Das gegen ihn eröffnete Strafverfahren hatte ihn auf seinem Posten als oberster Verfassungshüter Frankreichs gänzlich untragbar gemacht.


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Der 77-jährige Ex-Außenminister wird beschuldigt, tief in den Korruptionsskandal um den Ölkonzern Elf-Aquitaine verstrickt zu sein, weshalb ihm im Herbst der Prozess gemacht werden soll.

Damit endet die Karriere eines der schillerndsten Politiker Frankreichs vor Gericht. Ein lächerliches Detail seines pompösen Lebensstils war dabei für die Ermittler ein gefundenes Fressen: Ein Paar

Schuhe für 21.000 Schilling, das sich Dumas von seiner ehemaligen Geliebten schenken ließ, wurde mit einer Elf-Kreditkarte bezahlt.

Angesichts der gegen ihn laufenden Ermittlungen hatte Dumas sein Amt bereits seit knapp einem Jahr ruhen lassen. Dass er seine Karriere mit diesem Posten krönen konnte, verdankte er Francois

Mitterrand. In einer seiner letzten Amtshandlungen verschaffte der damalige Präsident 1995 seinem sozialistischen Busenfreund das hochdotierte Amt an der Spitze der französischen Justiz. Dumas zählte

immer zum engsten Zirkel um den Präsidenten und war in dessen Ära zweimal Außenminister (zuletzt bis 1993). Der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher wusste diesen guten Draht zu

nutzen, und über Dumas gelang es, die Widerstände Mitterrands gegen die Wiedervereinigung Deutschlands zu überwinden.

Dumas, dessen Vater von den Nazis erschossen wurde, kam aus kleinen Verhältnissen und legte nach dem Krieg eine glänzende Karriere hin. Der gutaussehende und als "brillant" beschriebene Jurist machte

sich als Anwalt vermögender Mandanten einen Namen, unter ihnen die Maler Pablo Picasso und Georges Braque, bevor er als Spitzendiplomat die Geschicke Frankreichs mitbestimmte. Wegen seines Hangs zum

Luxus und seiner intimen Kontakte zur Pariser Schickeria wurde er zu den "Kaviar-Linken" gezählt; der Name Dumas stand für Macht, Geld und zahlreiche Liebschaften.

Jahrelang zeigte sich der verheiratete Minister offen an der Seite seiner 25 Jahre jüngeren Geliebten Christine Deviers-Joncour. Aber diese letzte Liebesaffäre endete für ihn verhängnisvoll. Als

Deviers-Joncour wegen des Elf-Skandals im November 1997 in Untersuchungshaft gesteckt und von Dumas im Stich gelassen wurde, belastete sie den einstigen Außenminister schwer. Später legte sie mit

ihrem Skandalbuch "Die Hure der Republik" noch einmal nach.

Konkret wird Dumas nun vorgeworfen, als Außenminister 1989 Deviers-Joncour beim damals staatlichen Elf-Konzern einen Posten verschafft und in den Jahren danach von ihren millionenschweren Provisionen

mit profitiert zu haben. Vermutlich ließ sich der reiche Kunstsammler Dumas von seiner schönen Geliebten, gegen die ebenfalls das Strafverfahren eröffnet wurde, nicht nur feines Schuhwerk, sondern

auch griechische Statuen im Wert von 700.000 Schilling schenken.

Freilich sind dies nur Details der Elf-Affäre, hinter der sich der größte Korruptionsskandal der Ära Mitterrand verbirgt. Nach bisherigen Erkenntnissen wucherte der Konzern über Jahrzehnte hinweg

tentakelförmig in Teilen der politischen und industriellen Führungselite Frankreichs und durchzog sie mit einem Geflecht aus Korruption und Vetternwirtschaft. Gegen mehrere Politiker und Topmanager

wird seit Jahren ermittelt; Dumas ist der erste, dem der Prozess gemacht werden soll. Womöglich bringt das Verfahren auch neue Erkenntnisse über die CDU-Spendenaffäre: Dumas war Außenminister, als

der Elf-Konzern unter dubiosen Umständen die ostdeutsche Leuna-Raffinerie kaufte.