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Am Anfang standen Kompetenz und Klugheit, ganz pragmatisch und alltagstauglich. Die ersten Anführer waren deshalb wohl erfahrene Jäger und Krieger. Dann kam das Charisma hinzu, also eine persönliche Ausstrahlung, die andere in ihren Bann zu schlagen vermag. Mit der Macht musste auch die Machtbasis mitwachsen, weshalb für Jahrtausende Könige und Kaiser ihre Herrschaft auf göttliche Berufung zurückführten. Aus dieser Idee entstand im Europa der Neuzeit der Absolutismus, an dessen Höhepunkt Frankreichs Ludwig XIV. die schönen Worte "Der Staat bin ich" ungestraft sagen und entsprechend handeln konnte. Kompetenz und Erfahrung waren willkommen, aber längst keine Bedingung.
Weil aber Herrscher schon immer zu Übertreibungen ihrer eigenen Herrlichkeit neigten, mussten auch die "Absoluten" neben der allerhöchsten Macht Rechenschaft ablegen: erst Ständen, dann Städten, die sie mit Verfassungen fesselten. Am Ende dieser Entwicklung standen die Mächtigen nicht länger über dem Gesetz.
Auf die göttliche Souveränität, die zur absoluten Monarchie führte, folgte die Volkssouveränität, die sich zur parlamentarischen Souveränität wandelte. Aber auch unter dieser bleiben die Mächtigen anfällig für die Versuchung eines nunmehr eben plebiszitären Absolutismus, der niemandem Rechenschaft ablegen will außer dem Volkswillen.
Womit sich der Kreis zum Politikertypus von Donald Trump, Recep Tayyip Erdogan, Xi Jinping & Co sowie deren ganz besonderem Verständnis von Herrschaft und Kontrolle schließt. Der Wille des Volkes, ausgedrückt im Votum der Wähler oder einer Monopolpartei, ist Rechtfertigung genug für ihre Macht; Gesetze und Regeln, die ihr Grenzen setzen, verhindern nur, dass sie umsetzen, was sie als den Volkswillen erachten.
Die Art und Weise, wie der 45. Präsident der USA sich dagegen wehrt, wie alle anderen unter das Recht gestellt zu werden, hätte man bis vor kurzem noch als nackte Unverschämtheit bezeichnet. Heute und angesichts der wachsenden Zahl von Gleichgesinnten muss man wieder die historischen Wurzeln in Erinnerung rufen, an die ein solches Verständnis von Herrschaft anzuknüpfen versucht.
Für Trump & Co ist nicht ausgemacht, dass ihresgleichen - einmal gewählt - dem Recht unterworfen ist wie jeder normale Bürger. Dafür gibt es zudem auch in der Rechtsordnung der USA handfeste Anknüpfungspunkte. Die Frage etwa, ob ein amtierender US-Präsident überhaupt angeklagt werden kann, ist alles andere als geklärt.
Es ist mühsam, aber offensichtlich müssen manche Schlachten immer wieder gekämpft werden. Bei der Frage, ob alle dem Gesetz unterworfen sind, lohnt es sich.