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Über Thüringen muss sich niemand wundern

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

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Mit Linkspartei und AfD haben zwei Parteien von den extremen Rändern bei der Landtagswahl in Thüringen gemeinsam 53 Prozent der Stimmen erhalten. Beide Parteien werden vom Verfassungsschutz beobachtet, weil in ihnen Bewegungen und Kreise aktiv sind, die gegen die verfassungsrechtliche Grundordnung der Bundesrepublik arbeiten.

Eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei AfD lehnen alle Parteien ab, auch die Linkspartei. Mit Letzterer wollen auch SPD und Grüne im Bund - bisher jedenfalls - nicht regieren. Auf Landesebene dagegen koalieren diese beiden mit der Linkspartei; das war auch in Thüringen der Fall, nur verlor das Linksbündnis seine Mehrheit. CDU und FDP lehnen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Bund und Ländern ab.

Grundsätzlich entscheidet jede Partei allein, mit wem - und mit wem nicht - sie kooperieren will. Alles andere wäre ja auch noch schöner. Jedoch dann gibt es da noch den Gummi-Paragrafen "Koalition aus nationaler Verantwortung", der besagt, dass eine Partei bitte auch einmal über ihren Schatten springen solle, wenn es um das Wohl der Nation gehe. Mitunter steckt dahinter aber auch nicht viel mehr als die Verfolgung von Eigeninteressen, nur mit anderen Mitteln.

Für CDU und SPD steht gleichermaßen viel auf dem Spiel. Die beiden regieren im Bund in einer ungeliebten Koalition miteinander. Vom linken Profil der SPD ist kaum mehr übrig, als dass sie auf Landesebene bereit ist, mit der Linkspartei gemeinsam zu regieren. Und umgekehrt ist das kategorische Nein der CDU ihr letztes konservatives Attribut. In Thüringen verlor die CDU 12 Prozentpunkte, die AfD gewann 13 dazu. Eine bürgerliche Kampfansage an die AfD, die mit einer Koalition mit der verfemten Linkspartei begänne, würde an weltanschauliche Kapitulation grenzen; oder schlimmer noch: machtpolitischen Opportunismus.

Beiden Zentrumsparteien, CDU wie SPD, fehlt derzeit ein klares politisches Profil; statt mit den Sorgen der Bürger beschäftigen sich ihre Kader mit innerparteilichen Ränkespielen und Führungsfragen. Die SPD ist seit Monaten in einem Ausleseprozess ihres künftigen Spitzenduos gefangen und verweigert darüber hinaus sämtliche konkrete Politik. Und die CDU hat zwar mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine neue Parteichefin, allerdings keine, der auch die Kanzlerkandidatur uneingeschränkt zugetraut wird. Politisch und personell wankt die Partei genauso den nächsten Wahlen entgegen wie die SPD, nur auf deutlich höherem Zustimmungsniveau. So gesehen muss sich niemand über Thüringen wundern.