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Über Verantwortung

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Wo gravierende Fehler passieren, muss Verantwortung persönlich zugeordnet werden können.


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Am Donnerstag wurde nicht nur der Journalismus der "Wiener Zeitung" vom Gesetzgeber per Ende Juni zu Grabe getragen, sondern auch der gegen die ÖVP gerichtete Untersuchungsausschuss zum Thema Korruption zu den parlamentarischen Akten gelegt - politisch wird das Thema mit Sicherheit noch länger nachhallen.

Nicht, dass es Korruption, Bestechlichkeit und Misswirtschaft in Österreich gibt, ist das Problem; die gibt es in anderen Staaten auch. Fatal ist, dass die Menschen beginnen, sich daran zu gewöhnen. Und noch fataler ist, dass zu den häufigsten Ausreden zählt: "Das war schon immer so, die anderen machen es auch, nur wird gegen die nicht ermittelt." In der Sache mag das sogar richtig sein, nur taugt es nicht als Rechtfertigung oder Entschuldigung, nicht juris-
tisch und noch weniger politisch. Gesetze sind totes Recht, wenn sie nicht durchgesetzt werden.

Die Politik macht jetzt die Erfahrung, dass die Regeln des Akzeptierten neu gezogen werden, und zwar strenger nach den Buchstaben der Gesetze als bisher. Diesen Strukturwandel der Öffentlichkeit hat die Politik, zumindest erhebliche Teile, noch nicht zur Gänze internalisiert. Auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den bestrafen Ermittlungen. Wenngleich auch hier zu gelten hat: Über Schuld und Unschuld entscheiden unab-
hängige Gerichte, zumal nicht alles, was die Staatsanwaltschaft oder der gesunde Menschenverstand als unzulässig empfinden, zwingend gegen ein Gesetz verstößt. Gerade deshalb benötigt die Republik eine neue Kultur der Verantwortung - und keineswegs nur die Politik, sondern alle Bereichen der Gesellschaft, die Medien inklusive.

Wo gravierende Fehler passieren, muss Verantwortung persönlich zugeordnet werden können, statt bloß wegadministriert oder an den Nächstbesten weitergereicht zu werden. Der Satz "Ich übernehme die Verantwortung" aus dem Mund eines Entscheiders ist die Ausnahme, und wenn er doch ertönt, dann zu oft, um den Sinn ins Gegenteil zu verkehren. Es findet sich immer ein anderer Schuldiger, wenn man lange genug sucht.

Doch das ist ein großes Missverständnis: Bei der Idee von öffentlicher Verantwortung geht es nicht allein um persönliche Schuld, sondern um den Umstand, dass jemand auch Konsequenzen zieht, einfach weil er an der Spitze steht. Zu einer solchen Kultur gehört aber auch, dass sie nicht aus niederen parteipolitischen Instinkten missbraucht wird. In Österreich wird verlässlich immer dann der Ruf nach Konsequenzen laut, wenn es den Gegner trifft. Hier wird so offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, dass es fast schon lächerlich ist.