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Das Person-Sein ist eigentlicher Kern jeder Rede vom Menschenrecht.
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Nach heute üblichem Verständnis gibt es eine Vielzahl von Menschenrechten. In Österreich sind die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) enthaltenen Rechte seit 1964 auch "verfassungsgesetzlich gewährleiste Rechte", über die der Verfassungsgerichtshof als für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden unmittelbar anwendbares und verbindliches Verfassungsrecht wacht. Überdies ist Österreich aber auch vielen Übereinkommen beigetreten, um den Menschenrechtsschutz zu erweitern, 2014 etwa der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt.
Die Vorstellung, dass alle Menschen schon deshalb Rechte hätten, weil sie Menschen sind, findet in Österreich seit 1811 gesetzlichen Ausdruck. §16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches sagt uns: "Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten." Und genau dieses Person-Sein ist eigentlicher Kern jeder Rede vom Menschenrecht. Was es aber heißt, eine Person zu sein, welche konkreten Rechte damit verbunden sind, das unterliegt dem Wandel der Zeit.
Menschenrechte ständig im Fluss
Wir haben ein Recht auf Leben - aber es dauerte, bis die Todesstrafe in Europa abgeschafft wurde. Wir dürfen nicht gefoltert werden - wo aber ist die Grenze? Es darf keine Zwangsarbeit geben - ist aber jede Verpflichtung zur Arbeit schon eine verpönte "Zwangsarbeit"? Wir haben das Recht auf Freiheit und Sicherheit - und doch wissen wir, dass unsere Freiheit permanent eingeschränkt und dass unsere Sicherheit nicht durchgängig gewährleistet wird.
Die Menschenrechte sind ständig im Fluss. Immer wird zunächst gefordert, dann wird gesetzlich proklamiert, und erst gegen viele Widerstände können sie sich als verbindliches Recht behaupten. Unser Privat- und Familienleben soll geachtet werden - und dennoch werden wir allzu oft überwacht und kontrolliert. Uns ist Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zugesichert - aber sind die Gedanken frei, ist das Gewissen unbelastet und bleiben unsere religiösen Überzeugungen frei von Einschränkungen? Gewiss dürfen wir unsere Meinung frei äußern - und doch sehen wir, dass überall auf der Welt diese Freiheit stets bedroht ist. Die Rede von den Menschenrechten schwankte stets zwischen ihrer plakativen Einforderung und der mühsamen Abwehr von versuchten Einschränkungen.
Wenn 1871 gedichtet wurde: "Völker, hört die Signale! / Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale / erkämpft das Menschenrecht", dann lässt sich dies aus heutiger Sicht als bloßes Kampflied der verschwundenen Arbeiterbewegung lesen. Wir können das darin enthaltene Postulat aber auch aktuell als Aufforderung lesen, uns alle täglich an allen Orten für die Erweiterung der Menschenrechte und ihre Erhaltung einzusetzen. Denn zu einer Welt zu gelangen, die frei ist von der Herabwürdigung der Person, das "können wir nur selber tun!", wie es dort heißt.