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Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner haben gestern zu mehr Zusammenarbeit in allen internationalen Foren zur Bekämpfung des internationalen Terrornetzwerkes aufgerufen. Die Außenministerin unterstrich, dass Österreich mit den USA "voll und ganz solidarisch" sein. Über die Frage, wie sich diese Solidarität äußern soll, gab es am Nachmittag Meinungsverschiedenheiten über die Genehmigung von Überflügen im Hauptausschuss des Nationalrates, bei dem der Kanzler auch zu den Terroranschlägen in den USA und den bevorstehenden Außerordentlichen EU-Rat Stellung nahm. Auch über die Sicherheitsdoktrin gab es im Verteidigungsunterausschuss Kontroversen.
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Die Grünen brachten im Hauptausschuss einen Antrag ein, dass Österreich einem Beschluss des europäischen Rates die Zustimmung verweigert, der Österreich zur Unterstützung einer nicht vom UNO-Sicherheitsrat gedeckten Militäraktion verpflichtet, etwa durch die Genehmigung von Überflügen amerikanischer Militärmaschinen. Das Verfassungsgesetz zur Neutralität lasse ohne UNO-Mandat eine Überflugsgenehmigung nicht zu, die UNO-Resolution von vergangener Woche reicht aus Sicht von Grünen-Chef Alexander Van der Bellen nicht aus.
Der Bundeskanzler sieht aber die UNO-Resolution zu den Terroranschlägen und das österreichische Truppenaufenthaltsgesetz als ausreichende Grundlage für etwaige Überflugsgenehmigungen. Auch die SPÖ war in dieser Frage dieser Meinung. Der Antrag der Grünen wurde demnach von ÖVP, FPÖ und SPÖ abgelehnt. Schüssel meinte dazu, die "Schlupflöcher" der Terroristen müssten "wenn nötig mit militärischen Mitteln zerstört werden". Österreich werde sich zwar nicht an Kampfeinsätzen beteiligen, fühle sich zu "moderater Unterstützung" aber geradezu verpflichtet.
Koalition arbeitet an Entwurf zu Sicherheitsdoktrin
Unterdessen erhöhen die Koalitionsparteien das Tempo bei der geplanten Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. ÖVP-Wehrsprecher Walter Murauer und FPÖ-Wehrsprecher Wolfgang Jung wollen bereits bei der nächsten Sitzung des Unterausschusses des Landesverteidigungsausschusses am 16. Oktober ein Papier mit einer "vorformulierten" Sicherheitsdoktrin vorlegen. Bisher hatte man sich in der Diskussion immer nur im Analyse-Teil bewegt, aus der dann die Schlussfolgerungen abgeleitet werden sollten. Nun will die Koalition bereits die Schlussfolgerungen vorlegen. Man wolle damit die Debatte beschleunigen, sagte Jung. Auch wenn man bei der nächsten Sitzung schon einen Entwurf vorlege, heiße das nicht, dass der Diskussionsprozess damit beendet sei.
Für den Grünen Vertreter im Ausschuss, Peter Pilz, haben die Regierungsparteien damit die gemeinsame Arbeit "abgebrochen". Für den SP-Europasprecher Caspar Einem zeigt die Vorgehensweise, "dass man offenbar nicht an einer Diskussion interessiert ist". Den Analyseteil habe man erst zur Hälfte durchgearbeitet. Wenn die Regierungsparteien im Oktober bereits die Schlussfolgerungen vorlegen würden, zeige das, dass sie nur an einer schnellstmöglichen Entscheidung interessiert sei. Eine vernünftige Entscheidung könne für die SPÖ nur auf einer "soliden Analyse" aufbauen.
Aus der Sicht des Militärexperten Gerald Karner ist es nicht notwendig, die Szenarien neu zu schreiben, der Analyseteil sei sehr umfassend. Man sollte daher den Analyseteil rasch beschließen, um dann auf dessen Basis eine Festlegung der gesamtstaatlichen Strategien vornehmen - Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Innenpolitik und Wirtschaft betreffend. Dann müsse auch die entscheidende Frage nach Neutralität oder Bündniszugehörigkeit "rückhaltlos und ohne ideologische Vorbehalte" diskutiert werden.