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Überforderte Demoskopen

Von Heinz Kienzl

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Heinz Kienzl ist Meinungsforscher und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

Den Meinungsforschern sei geraten, Wahlprognosen, wenn überhaupt, nur unter größten Vorbehalten zu machen.


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Miror, quod non ridet haruspex, haruspicem qui videt. Auf unsere zeitgenössischen Wahrsager angewendet: Wenn ein Meinungsforscher einen anderen Meinungsforscher sieht, der vorgibt, Wahlergebnisse vorhersagen zu können, lacht er.

Die Demoskopie ist ein höchst nützliches Instrument der Soziologie und der Politologie, um gesellschaftliche Entwicklungen, gesellschaftliche Zustände und vor allem Meinungen der Bevölkerung zu untersuchen und zu analysieren. Was sie aber nicht kann: Wahlen vorhersagen.

Ich habe schon 1956 als volkswirtschaftlicher Referent des ÖGB für den ÖGB ein Meinungsforschungsinstitut gegründet und weiß, worüber ich rede. Von den Medien gefordert, unternehmen es Meinungsforschungsinstitute oft Monate vor einer Wahl, Ergebnisse vorauszusagen. Dabei werden oft nur 500 Wähler telefonisch befragt. Meistens lehnen ein Drittel bis ein Viertel eine Befragung überhaupt ab, fünf Prozent entscheiden sich erst in der Wahlzelle, wie sie wählen werden. Bis zum Wahltag tobt ein Wahlkampf und sehr oft treten in den letzten Tagen wahlentscheidende Ereignisse ein.

Machen wir ein Gedankenexperiment und nehmen an, dass am Sonntag in Schweden Wahlen stattfinden und dass es eine ausländerfeindliche Partei gibt. Die würde, was man Monate vorher nicht wissen konnte, aufgrund der Gewalttaten in Stockholm und Malmö vor einigen Wochen einen gewaltigen Wahlerfolg einfahren, denn Krawalle und Abfackeln von Autos bewegen eben die Wähler. Auch in Frankreich gab es dafür Beispiele.

Eher noch als Wahlen kann man Wählerwanderungen vorhersagen. Aber auch da steht man auf wackeligen Beinen. Unerwartete Ereignisse können alle Ergebnisse von Meinungsumfragen umwerfen. Man denke etwa an den Bienentod und die Verwicklung des Lebensministers Berlakovich.

Dann gibt es noch einen wichtigen Faktor: nämlich den Medienmultiplikator. Die Salzburger Finanzspekulationen wurden bis "geht nicht mehr" aufgeblasen. Das stellte die Salzburger Politstruktur auf den Kopf, was die Umfragen Monate vorher nicht herausfinden konnten. Genauso wenig wie die Gewinne der Finanzspekulationen der Magistra Rathgeber. Dass Spekulationen riskant sind, weiß man, und der Börsenguru Kostolany hat mit gutem Grund gesagt: "Wer an der Börse arbeiten will, braucht viel Geld und gute Nerven." Als es den Salzburger Politikern zwar nicht an Geld, aber an guten Nerven gebrach: Da brauchten sich die Grünen nur hinstellen und konnten einen Wahlerfolg einfahren. Um daraus schon eine Tendenz der österreichischen Wähler zu den Grünen herauszulesen, könnte sich als Fehldiagnose der Demoskopen erweisen.

Den Meinungsforschern sei aber geraten, Wahlprognosen, wenn überhaupt, nur unter größten Vorbehalten zu machen. Gerade jene Medien, die die falschen Prognosen publiziert haben, fallen dann über die Meinungsforscher her und machen die Zunft zur Schnecke.