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Überfüllte Hörsäle: Professoren mit einem Bein im Kriminal

Von Christian Mayr

Wissen

Kommt jemand zu Schaden, haften die Professoren strafrechtlich voll. | Kritik: "Wir können das als Laien gar nicht beurteilen." | Wien. Der Ansturm auf die heimischen Universitäten - vor allem ausgelöst durch deutsche Studenten - sorgt für teils chaotische Zustände bei Lehrveranstaltungen: Heftiges Gedränge um Sitzplätze, verbarrikatierte Ausgänge sowie Fluchtwege, die durch Zuhörer blockiert sind. Für Professoren bedeuten diese Zustände, dass sie einen durchaus riskanten Spagat wagen müssen: Brechen sie die Lehrveranstaltung aus Sicherheitsgründen ab, kommen sie mit dem Zeitplan ins Trudeln und handeln sich womöglich Probleme mit dem Rektor ein; tolerieren sie hingegen den Massenansturm, sind sie voll in der Haftung, wenn es Zwischenfälle mit Verletzten oder gar Toten gibt.


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Für den Arbeitsrechtler und Lehrenden am Juridicum, Wolfgang Mazal, ist die Rechtslage klar: Kommt jemand in einem überfüllten Hörsaal zu Schaden, haftet nicht etwa die Universität, sondern der jeweilige Leiter der Lehrveranstaltung - "das kann wegen Fahrlässigkeit auch strafrechtlich relevant werden". Etwa wenn in einem hoffnungslos überfüllten Saal nicht alle Zuhörer bei einem Brand flüchten können. "Wir haben an sich die Weisung, dass nicht zu viele Personen eingelassen werden dürfen. Und in einigen Hörsälen steht auch die Anzahl der zulässigen Besucher", erklärt Mazal im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nur bei zivilrechtlichen Ansprüchen könne sich ein Vortragender der Haftung entziehen und eine "entschuldbare Fehlleistung" gelten machen, indem er sich auf den Arbeitsdruck durch die Universität beruft.

Mazal denkt als Arbeitsrechtler über diese heikle Angelegenheit immer wieder nach - und in seiner Zeit als Betriebsrat sei er von Kollegen öfter dazu angesprochen worden. Speziell in unterirdischen Hörsälen mit langen Stiege habe er persönlich ein "ungutes Gefühl", gesteht er.

Drängeln in der Hofburg

Mit der Frage der Sicherheit sind auch Studierende am Institut für Theaterwissenschaft immer wieder konfrontiert: So sei der altehrwürdige Schreyvogelsaal in der Hofburg bloß für rund 90 Personen ausgerichtet, speziell in den ersten Semesterwochen würden jedoch teils bis zu 150 Zuhörer anwesend sein. "Wenn da einmal ein Brand ausbricht, gnade uns Gott!", sagt eine Studentin, die von heillos verstopften Fluchtwegen und einer einzigen lediglich nach innen zu öffnenden Tapetentür als Ausgang berichtet. Zustände, die weder die Burghauptmannschaft noch Institutsleiterin Monika Meister bestätigen können: "150 Personen? Das geht dort sicher nicht", sagt Meister. Sie bestätigt aber, dass Zuhörer mangels Sitzgelegenheit oft auch am Boden Platz nehmen müssen - dann würde sie aber penibel darauf achten, dass Fluchtwege eingehalten werden.

Der Eigentümer der meisten heimischen Unis, die Bundesimmobiliengesellschaft, ist für überfüllte Säle nicht zuständig. "Allein die Universitäten als Mieter sind verantwortlich, dass die behördlich festgelegten Kapazitäten nicht überschritten werden", erklärt Sprecher Ernst Eichinger.

Ein Professor an der Hauptuniversität, der anonym bleiben will, kritisiert in dieser Frage aber seinen Dienstgeber: Es gebe zwar eine Hausordnung, die besage, dass Räume nur bis zur behördlich festgesetzten Personenzahl belegt werden dürfen; diese Zahl scheine aber für die einzelnen Säle nirgendwo ersichtlich auf. "Und selbst wenn, kann man uns Professoren, die auf diesem Gebiet Laien sind, in dieser Frage nicht allein lassen."

Andere, wie Psychiater Max Friedrich (Medizin-Uni), setzen auf Strenge. "Sobald die Treppen besetzt sind, fordere ich auf, diese freizumachen." Geschehe dies nicht, würde er zum Leidwesen aller die Vorlesung abbrechen.