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"Überlebensfrage für Euro und EU"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Gipfeldebatte über Frühwarnsystem und Krisenmechanismus. | +++ Merkel beharrt auf Vertragsänderung. | Brüssel. Auf den Finanzmärkten herrschte vor dem Wochenende Panik. Auch das Hilfspaket für Griechenland über 110 Milliarden Euro, hatte kaum für Beruhigung gesorgt. Daher wollten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone bei ihrem Gipfeltreffen am Freitagabend endlich ein Signal senden, das stark genug ist, um die Märkte positiv zu beeindrucken. | Euro-Gipfel begann mit Streit | Faymann will gegen Spekulanten vorgehen


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Konsens herrschte bereits darüber, dass der Euro-Stabilitätspakt verschärft und die wirtschaftliche Koordination verstärkt werden soll, damit eine Tragödie wie die griechische sich nie mehr wiederholt. Es handle sich um "eine Überlebensfrage für die Schicksalsgemeinschaft Eurozone und die EU", sagte ein Diplomat.

Gefeilt wurde an Vorgaben für eine Arbeitsgruppe unter EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, die bis Oktober konkrete Vorschläge liefern soll. Gemeinsam forderten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy stärkere Sanktionen für Verstöße gegen den Pakt, frühzeitige Eingriffsmöglichkeiten und eine bessere Übereinstimmung der nationalen Haushalte mit den Pakt-Grundsätzen.

Noch nicht ganz klar war, wie diese Schlagworte konkret umgesetzt werden sollen. So schienen die EU-Kommission und Deutschland sich für einen rascheren Schuldenabbau von Defizitsündern eingesetzt zu haben. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso soll gar von einer "systemischen Krise" geredet haben. Frankreich ist mit zu eindeutigen Worten in Richtung härterer Sparvorgaben vorerst angeblich nicht so glücklich gewesen. Auch über die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) herrschte noch Unklarheit - etwa ob sie schließlich auch Staatsanleihen aufkaufen könnte. Alle Mitgliedsstaaten hätten sich zu dem Thema geäußert, hieß es bloß.

Schnellere Hilfe

Ein Fokus der Debatten lag auf einem Modell für künftige Pleitekandidaten, falls es in Zukunft noch einmal dazu kommen sollte. Geld und keine Garantien solle es für solche Länder geben, hieß es. Das Ad-hoc-Vorgehen zur Rettung Griechenlands habe viel zu lange gedauert, so mehrere Delegationen.

Technisch könnte sich die rasche Abwicklung der Hilfen über die EU-Kommission eher eignen, als wenn jedes nationale Parlament extra befasst werden muss. Auch für Länder der Eurozone könnte es die sogenannte Zahlungsbilanzhilfe geben, wie sie für die osteuropäischen Eu-Mitglieder bereits besteht.

Schwierig könnte die Etablierung eines Frühwarnsystems werden. Denn etwa gegen eine Vorabkontrolle der nationalen Budgets durch die EU-Kommission und Diskussionen in der Eurogruppe vor der Befassung der eigenen Parlamente gibt es erhebliche Widerstände.

Das Merkel erneut betonte, dass es künftig nicht ohne die Änderung des Lissabonner Vertrags gehen werde, gefällt der EU-Kommission wenig. Notwendig wäre diese etwa für Berliner Ideen wie Stimmrechtsentzug und Kürzung von EU-Subventionen für notorische Defizitsünder sowie geregelte Staatsinsolvenzen für Pleitekandidaten. Auch wegen der notwendigen Ratifizierung in allen 27 Mitgliedstaaten sei eine Vertragsänderung risikobehaftet, hieß es.

Längst unumstritten war dagegen, dass Eurostat künftig weiterreichende Prüfkompetenzen haben soll, wenn ihm die Zahlen aus einem Mitgliedsland nicht ganz logisch vorkommen.