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Nicht jeder Verlag, aber die Zeitungsindustrie insgesamt hat noch immer alle Krisen bewältigt. Also keine Panik, auch nicht auf Zeitungskongressen.
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In Wien ging in der vergangenen Woche der viertägige Weltzeitungskongress WAN IFRA über die Bühne. Dass er in der ländlich-großstädtischen Umgebung der Bundeshauptstadt besonders aufgefallen wäre, konnte niemand feststellen. Die Wiener und die Österreicher haben sogar im Medienbereich ihre hausgemachten Probleme, derzeit etwa die Frage, ob höchstrangige Politiker vom Bundeskanzler abwärts Inserate frei aus Steuergeldern verteilen dürfen, die für sie - die Politiker - werbewirksam sind. Um solche regionale Eigenheiten kümmerten sich die Zeitungsmacher aus aller Welt natürlich nicht.
Wohl aber um Finanzen, nämlich ihre Geschäftsbasis.
Das akute Problem in den hochentwickelten Industriestaaten mit mehrhundertjähriger Zeitungstradition in Europa und Nordamerika besteht nämlich darin, dass das unternehmerische Modell nicht mehr so rund läuft wie früher. Vielen Menschen genügen Gratiszeitungen wie beispielsweise den Wienern die U-Bahn-Zeitung "Heute", sodass sogar die riesige "Kronen Zeitung" unter Leserschwund leidet, obwohl sie nur einen Euro am Kiosk und im Abo noch weniger kostet. Ähnliches beobachten fast alle "Kaufzeitungen". Ihre Auflage droht zu schrumpfen, mit der Auflage geraten die Anzeigentarife unter Druck. Abgesehen davon hat das Internet eine gigantische, in ihrer räumlichen Unendlichkeit noch nicht fassbare Parallelmedienwelt geöffnet.
Das sind, kurz gesagt, die Gründe, warum ein erfahrener österreichischer Verleger wie Eugen Russ vom Vorarlberger Medienhaus auf dem Weltzeitungskongress daran zweifelte, ob die Zeitungen den traditionellen Journalismus noch lange finanzieren könnten.
Das ist eine starke Aussage. Bricht der hochwertige und seriöse Zweig der journalistischen Leistungen (es gibt leider auch andere Zweige als den seriösen) weg, weil niemand mehr dafür zahlt, dann müsste jeder am regionalen, nationalen, internationalen und politischen Geschehen interessierte Bürger die Komponenten seines Wissens aus der Neuigkeitenkiste der Gratismedien und aus dem digitalen Eimer ungeordneter und sehr oft unzuverlässiger Wissensangebote zusammentragen.
Aber wie oben gesagt, haben Zeitungshäuser noch immer Wege gefunden. Derzeit geht es darum, ihre Reputation für Information in das Internetzeitalter zu übertragen und - das ist noch der Knackpunkt - auch digital die nötigen Einnahmen zu erzielen.
Verlässliche News oder überhaupt ganze Zeitungsinhalte werden auf Dauer nicht wie bisher gratis aus dem Internet zu beziehen sein. Dass "Die Presse" soeben einen Zahlungstarif für Nichtabonnenten einführte, die die Zeitung auf den modernen "Tablets" in digitaler Form konsumieren, ist nur ein Hinweis in diese Richtung. Darüber hinaus werden die Zeitungen ihren Internetauftritt freilich so attraktiv gestalten müssen, dass dort auch Inserate platziert werden, die das nötige Betriebsgeld abwerfen.
Mühsam sind beide Wege. Sie sind aber nicht der Anfang vom Ende der Zeitungskultur.